zum Hauptinhalt
Noch zwei Tage vor der Eröffnung sind die Bulk Bins nur provisorisch beschriftet - die Preise fehlen noch.

© Maria Fiedler

Supermarkt "Original Unverpackt" in Kreuzberg: Ohne Verpackungsmüll - und ohne Klopapier

Die Kreuzberger Unternehmerinnen Sara Wolf und Milena Glimbovski eröffnen am Sonnabend den ersten Berliner Supermarkt, der ohne Verpackungen auskommt. Eine kleine Revolution - auch wenn ein paar Produkte im Sortiment fehlen.

Fast fünf Monate ist es nun her, da brach über die Unternehmerinnen Sara Wolf und Milena Glimbovski ein riesiger Medienrummel herein: Die beiden kündigten an, einen Supermarkt eröffnen zu wollen, der ganz ohne Verpackungen auskommt. Neben frischem Obst und Gemüse, Reis oder Nudeln sollten sich auch Milchprodukte und Waschmittel im Sortiment finden. Abfüllen würde der Kunde selbst - in wieder verwertbare Behälter. Ein in Berlin einzigartiges Projekt.

Am Sonnabend nun wird "Original Unverpackt" in Kreuzberg eröffnen. Für Wolf und Glimbovski war der Weg hierhin nicht einfach: Die beiden mussten sich in Hygienevorschriften einarbeiten, eine Immobilie auftun und vor allem Lieferanten finden, die ihren Standards entsprechen. Denn nicht nur im Supermarkt muss auf Verpackungen verzichtet werden. Auch in der Lieferkette soll so wenig Plastik wie möglich verwendet werden. "Die Gespräche mit potenziellen Lieferanten sind oft so abgelaufen: 'Haben Sie Kaffee? Nehmen Sie die Verpackung zurück? Nein? Dann noch einen schönen Tag'", erzählt die 24-jährige Glimbovski. Mit einem Bio-Großhändler haben die Unternehmerinnen ausgehandelt, dass die Liefer-Paletten nicht mit Plastikfolien, sondern mit Gurten fixiert werden.

"Wir werden noch wachsen"

Bei der Suche nach der Immobilie haben die beiden letztendlich Glück gehabt: In der Wiener Straße in Kreuzberg fanden sie ein Geschäft, das vor Jahrzehnten einmal eine Metzgerei war. Mit Stuck an den Decken und weiß-blauen Fliesen ist die Immobilie ein echtes Schmuckstück - doch viel Platz ist hier nicht. "Wir werden ja noch wachsen", sagt Mitgründerin Wolf.

Jetzt soll erst einmal das Geschäft anlaufen. Doch wie funktioniert nun das Einkaufen im Unverpackt-Supermarkt? Trockenprodukte wie Müsli werden in großen Behältern, sogenannten Bulk Bins, aufbewahrt und können in wieder verwertbare Gefäße abgefüllt werden. Milch, Öl, Essig, aber auch Wein und Wodka zapfen Kunden ebenfalls in mitgebrachte Gefäße ab. Wer keine eigenen Dosen, Flaschen oder Gläser dabei hat, kann diese im Supermarkt erwerben. Produkte wie Käse und Tofu, die besonders hygienisch verpackt werden müssen, sind in Pfandbehältern zu haben, die später wieder zurückgegeben werden können. Wie viel der Kunde mit nach Hause nimmt, bestimmt er selbst - am Ende wird alles gewogen.

Die Freude über den neuen Supermarkt sieht man ihnen an: Sara Wolf und Milena Glimbovski.
Die Freude über den neuen Supermarkt sieht man ihnen an: Sara Wolf und Milena Glimbovski.

© Maria Fiedler

80 Prozent des Angebots besteht dabei aus Bio-Produkten, aber auch konventionell hergestellte Artikel sind darunter. "Wir wollten, dass sich jeder unverpackt leisten kann", erklärt Wolf. Größtenteils seien die Preise mit denen herkömmlicher Supermärkte wie Rewe oder Edeka zu vergleichen. Möglich ist das, weil der Supermarkt ja an der Verpackung spart: Die mache normalerweise bis zu 20 Prozent des Produktpreises aus.

Zahnpasta ohne Plastikverpackung

Vor allem für diejenigen, die auf einen nachhaltigen Lebensstil Wert legen, erleichtert der Supermarkt vieles. "Es gibt einem ein Gefühl von Hilflosigkeit, wenn es im Supermarkt einfach keine Alternative zu den in Plastik verpackten Produkten gibt", erklärt die Autorin Sarah Schill, die für ihr Buchprojekt "Anständig leben" einen Monat komplett auf Plastik verzichten wollte und zum Rundgang in den Laden kam. Es sei sehr mühsam, Cremes oder Zahnpasta ohne Plastikverpackung zu beschaffen.

Viele der Träume von Verpackungsgegnern werden Glimbovski und Wolf in ihrem Supermarkt erfüllen können: Zahnpasta gibt es nicht in Tuben, sondern in Form kleiner, loser Pastillen, die zerkaut werden. Tofu, das zum Ärger vieler Vegetarier normalerweise in Plastikverpackung verkauft wird, kommt im wiederverwertbaren Behältnis. Auch Shampoo, Deo oder Creme gibt es zum Abfüllen vor Ort. An anderen Produkten haben sich die Unternehmerinnen bislang aber die Zähne ausgebissen: Tomatenmark oder Tiefkühlpizza sind bei "Original Unverpackt" momentan nicht zu haben. Und auch für Klopapier müssen die Kunden in den normalen Discounter ausweichen. Immerhin: Etwa 350 Produkte hat der Laden im Angebot.

Auf eine große Auswahl an Gewürzen haben die Unternehmerinnen Wert gelegt.
Auf eine große Auswahl an Gewürzen haben die Unternehmerinnen Wert gelegt.

© Maria Fiedler

In den letzten Tagen waren Wolf und Glimbovski rund um die Uhr mit den Vorbereitungen für die Eröffnung beschäftigt. Allein in der Nacht zu Donnerstag waren sie bis drei Uhr nachts im Geschäft - nach einem Hilferuf auf Twitter bekamen sie von einigen Fans spontan Unterstützung. So etwas kommt vor, wenn man wie die beiden Frauen mehr als 1600 Follower und 38 000 Facebook-Fans hat.

Und auch am Eröffnungstag selbst wird die Unternehmerinnen und ihre Mitarbeiter wohl ein ziemlicher Ansturm von potenziellen Käufern erwarten. Der Vorrat an Lebensmitteln im Laden dürfte dafür kaum ausreichen. Doch das macht Sara Wolf keine Sorgen: "Es ist eigentlich unser Ziel, am Sonnabend ausverkauft zu sein." Dann heißt es für die Kunden wohl: früh da sein - oder bis zur nächsten Woche warten, wenn weniger los ist. (mit csch)

Hausgemachte Marmelade in Weckgläsern - ein potenzieller Bestseller.
Hausgemachte Marmelade in Weckgläsern - ein potenzieller Bestseller.

© Maria Fiedler

Original Unverpackt, Wiener Straße 16, 10999 Berlin / Öffnungszeiten werktags: 8 bis 20 Uhr, sonnabends von 9 bis 19 Uhr / +49 30 692 091 63

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false