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Die Kreuzberger Mietshäuser sind noch unsaniert, die Kneipen und das "Café Achteck" dafür sehr bunt, wie hier am Heinrichplatz mit Blick auf die "Rote Harfe". In unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen Aufnahmen aus dem Kreuzberg der 70er Jahre.

© Werner Schucker

Interview über das Kreuzberg der 70er Jahre: "Kreuzberg war der Bürgerschreck von Berlin"

Kreuzberg in den 70er Jahren: Da lebten die jungen Wilden oder die Alten, die schon immer da waren. Der Putz bröckelte und gleichzeitig gab es viele bunte Ecken, wie die Bilderserie von Werner Schucker zeigt. Im Interview erzählt er seiner Tochter von seinen Streifzügen.

Anfang der 70er Jahre zog mein Vater, Werner Schucker, aus dem südbadischem Dorf nach Berlin. In Neukölln lebend, zog er mit der Kamera oder mit Arbeitskollegen und Freunden oft in Richtung Kreuzberg. Mitte der 70er Jahre entstand so auch eine kleine Kreuzberger Fotoserie, die dieses Jahr wieder entdeckt wurde und nun hier zu sehen ist. Gleichzeitig war es ein guter Anlass, den eigenen Vater mal auszufragen, wie er (damals quasi in meinem Alter) das Kreuzberg der 70er Jahre selbst erlebt hat.

Wann und warum bist du damals - mit oder ohne Kamera - in Kreuzberg unterwegs gewesen?

Kreuzberg hatte eine gute alternative Szene und viele Kneipen, wo ich oft mit Arbeitskollegen unterwegs war. Allerdings musste man damals auch immer damit rechnen, dass die Polizei in der Kneipe auftauchte. Es war ja die Zeit der "Roten Armee Fraktion" und Kreuzberg galt als besonders "terroristenfreundlich".

Wie war die Atmosphäre in den Straßen und Kneipen?

Die Stimmung war aufgeladen, die Polizei war sehr präsent. Auch die Mauer prägte das Bild des Stadtteils. Doch im Alltag verschwand sie auch irgendwie. Der Heinrichplatz hatte zum Beispiel im Sommer etwas Mediterranes. Alle saßen draußen auf der Straße oder lehnten sich aus den Fenstern bis spät in die Nacht.

Wie würdest du das Kreuzberg der 70er Jahre beschreiben?

Es hatte einen rauen Charme. Bei uns Jungen war Kreuzberg angesagt, doch für das Klientel der Mittelschicht war Kreuzberg der reinste "Bürgerschreck". Der Ruf des Stadtteils war im übrigen West-Berlin schlecht. Die jungen Berliner zog es dagegen wegen der billigen Mieten an.

Hättest du damals gerne in Kreuzberg gewohnt?

Wir haben damals überlegt eine Altbauwohnung in der Skalitzer Straße zu kaufen, für 88.000 Mark. Doch die Angst war zu groß, dass der Wert der Immobilie über die Jahre fällt. Damals war die Meinung verbreitet "mit Kreuzberg geht es bergab". Wir zogen dann nach Reinickendorf.

Super gemacht Papa... Hattest du Kreuzberger Lieblingsorte?

Die Hasenheide war für mich immer im Sommer eine Schnittstelle zwischen meiner Neuköllner Wohnung und der Arbeit. Da spielten wir oft Fußball, gingen in den Biergarten. Oft zogen wir auch von Kneipe zu Kneipe in der Oranienstraße. Oder wir kehrten in der "Roten Harfe" am Heinrichplatz ein.

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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