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Familienaufstellung. 2004 übergab Jürgen Wölffer die Theaterleitung an seinen Sohn Martin (links).

© Thilo Rückeis

Langjähriger Chef der Ku'damm-Bühnen: Jürgen Wölffer zum 80. Geburtstag

Jahrzehnte führte er die Bühnen am Ku’damm, sprang ein, wenn Harald Juhnke nicht konnte – und kann es noch immer nicht lassen: Heute feiert Jürgen Wölffer seinen 80. Geburtstag.

Jede Generation hat ihre eigenen Größen am Boulevard-Theater. In den 80er und 90er Jahren hat Jürgen Wölffer sie alle gekannt. Der damalige Chef der beiden Häuser Theater und Komödie am Kurfürstendamm hat mit Harald Juhnke gearbeitet, mit Günter Pfitzmann, Wolfgang Spier, Nadja Tiller, Paul Hubschmidt, Johannes Heesters. Unter anderen. Dass er an diesem Sonnabend schon 80 Jahre alt wird, ist vor allem deshalb vorstellbar, weil er so einen reichen Schatz an Erinnerungen zusammengetragen hat.

Schwer vorstellbar ist es auf der anderen Seite, weil er immer noch so aktiv ist, seine Stimme so jung klingt. Jeden Tag probt er im Theater am Kurfürstendamm für das Stück „Weihnachten auf dem Balkon“, das am 11. November in seinem Hamburger Theater Winterhuder Fährhaus Premiere hat. Und das nächste Stück, „Jakobowsky und der Oberst“, ist auch schon in Vorbereitung. Die Schauspieler sind fast alle aus Berlin, da ist es einfacher, hier zu arbeiten. Müde wird er nur, wenn er nichts zu tun hat. „Deshalb vermeide ich das“, sagt er.

Zum Geburtstag wünscht er sich: Gewissheit!

Die Familie Wölffer betreibt in dritter Generation die beiden Kudamm-Theater. Seit 2004 ist Jürgen Wölffers Sohn Martin der Chef, was den Vater aber nie davon abgehalten hat, weiter zu inszenieren. Deshalb ist es eigentlich auch fast müßig, ihn nach seinem größten Geburtstagswunsch zu fragen. Für ihn wäre es das schönste Geschenk, endlich Gewissheit zu haben, was mit den beiden Bühnen nun passiert. Seit fast zwölf Jahren kämpft die Familie um deren Erhaltung, weil noch immer nicht klar ist, was nach der Umgestaltung des Ku’damm-Karrees mit den Bühnen passiert. Wie berichtet, gab es gerade in letzter Zeit neue Turbulenzen. Jürgen Wölffer kann das nicht verstehen: „Es gibt doch sowieso schon zu viele Shopping Malls in Berlin“, sagt er. „Ohne ihre Geschichte kann eine Stadt nicht leben.“ Gerade Berlin sei doch immer das Zentrum von Boulevardtheatern und Cabarets gewesen. Dass ausgerechnet diese beiden aus einer großen Fülle verbliebenen Theater 1989 von der Denkmalschutzliste heruntergenommen wurden, dass dafür Geld geflossen ist, empfindet er selber heute noch als „großen Skandal. Einen Tag lang war das Stadtgespräch und dann geriet es in Vergessenheit“, klagt er. Er spricht ja nicht nur von seinem Lebenswerk, sondern von dem der ganzen Familie.

Sein Vater Hans Wölffer hielt den Spielbetrieb in dem traditionsreichen Theater aufrecht, bis ihn 1942 die Nazis vertrieben. Aber schon 1950 war er zurück in der Komödie, die einst der große Max Reinhardt bauen ließ. Hans Wölffer war es, der den Berlinern das Musical näher brachte. Eigentlich wäre Jürgen Wölffer gerne Architekt geworden, statt ins Familiengeschäft einzutreten. Allerdings zeigte er schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt Sinn fürs Dramatische. Seine Mutter, die Schauspielerin Else Boy, hätte ihn fast in einem Café am Olivaer Platz zur Welt bringen müssen, schaffte es dann aber doch gerade noch ins Westendsanatorium. Jürgen Wölffer folgte also der Familientradition und wurde Schauspieler mit Sinn für ernste Rollen. Den Faust hat er verkörpert, Don Carlos auch. Er weiß: „Am Theater ist die Pointe am Ende immer Lachen oder Weinen.“

Früher ist er häufig für Harald Juhnke eingesprungen, wenn der mal wieder abstürzte

Sein Debüt gab er 1958 am Düsseldorfer Schauspielhaus in dem Stück „Wie es euch gefällt“. Lange her. Gerade hat er die 14-jährige Enkelin in einer Schulaufführung gesehen, ebenfalls Shakespeare, „Was ihr wollt“. Wenn er davon erzählt, gerät er richtig ins Schwärmen. „Die war ganz toll!“ Auch sein Enkel Jonas macht ihm Freude. Nach dem Abitur wollte der eigentlich nur mal hospitieren bei seinem Großvater. Aber dann wurde er kurzerhand zum Regie-Assistenten befördert, weil jemand ausfiel. Bei Jürgen Wölffer dauerte es bis 1971, dass er unter dem Pseudonym Reinhard Boy auch Regie führte. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1976 die Direktion der beiden Bühnen.

Heute steht er nur noch im Notfall auf der Bühne, wenn kurzfristig jemand ausfällt. Früher ist er öfter mal für Harald Juhnke eingesprungen, wenn der einen seiner berühmten Alkohol-Abstürze hatte. 1964 holte der Vater, der auch Musiker war, ihn und seinen inzwischen verstorbenen Bruder Christian in die Direktion der Theater am Kurfürstendamm. Eine Erinnerung an den Vater hat ihren festen Platz in seinem Anekdoten-Repertoire. Die beiden waren unterwegs zur berüchtigten Bauunternehmerin und Architektin Kressmann-Zschach. „Wir haben alle Trümpfe in der Hand. Denen zeigen wir es mal“, sagte der Vater im Fahrstuhl nach oben. Am Ende redeten aber nur die Anwälte. „Du bist ja gar nicht zu Wort gekommen“, sagte Jürgen Wölffer etwas enttäuscht, als sie wieder herunterfuhren. „Gefährlich ist meine Bescheidenheit“, antwortete der Vater, der ein leiser und tatsächlich sehr bescheidener Mann gewesen sei.

Am Montag wird groß gefeiert - natürlich am Ku'damm

Von seinen vielen Freunden jemanden hervorzuheben, fällt ihm gar nicht leicht. Doch, dann nennt er Wolfgang Spier, seinen einstigen Oberspielleiter. Dem hat er damals die Frau ausgespannt. „Erst war er sauer. Aber dann wurde er sogar Trauzeuge.“

Wenn so jemand sagt, dass ihm Freundschaft leicht falle, glaubt man es ihm ebenso leicht. Eine Komödie über die wahre Freundschaft, „Das Abschiedsdinner“, ist das dritte Stück, an dem er gerade arbeitet. Am 11. Dezember ist Premiere am Kurfürstendamm. Aber erst mal wird gefeiert, auch wenn der Jubilar angesichts der perspektivischen Grenzen dieses Alters gar nicht sicher ist, ob das überhaupt ein Anlass dafür ist. Christine Wölffer bereitet schon seit Monaten die Überraschungsparty zu seinem 80. Geburtstag vor, die am Montag mit 400 Gästen aus Kultur und Politik in der Komödie am Kurfürstendamm gefeiert werden soll. Da gibt’s natürlich auch ein Bühnenprogramm, denn Kollegen und Freunde sind selbstverständlich dabei.

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