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Stürmische Zeiten. 1967 erschoss Karl-Heinz Kurras den Demonstranten Benno Ohnesorg (o. r.) – große Proteste waren die Folge. Unten rechts Kurras’ SED-Parteibuch.

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Karl-Heinz Kurras' Schuss auf Benno Ohnesorg: Stasi-Auftrag scheint ausgeschlossen

Das Museum in der Villa Oppenheim erklärt seinen Besuchern, Kurras habe Ohnesorg im Auftrag der Stasi ermordet – dieser „lang gehegte Verdacht“ habe sich 2009 bestätigt.

Als im Mai 2009 bekannt wurde, dass Karl-Heinz Kurras, der West-Berliner Polizist, der am 2. Juni 1967 Benno Ohnesorg erschossen hatte, IM der Stasi und sogar SED-Mitglied war, bedeutete dies eine politische und historische Sensation. Wohl niemand, der auf diese Nachricht nicht mit ungläubigem Staunen reagiert hätte, außer Karl-Heinz Kurras selbst – und einige wenige Mitwisser, sofern sie noch lebten.

Darum überrascht der Satz, der seit Dezember in einer Vitrine der Dauerausstellung des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim zu lesen war: „Erst nach 2009 bestätigte sich die lang gehegte Vermutung: Kurras handelte als inoffizieller Mitarbeiter im Auftrag der Stasi, um die politische Situation in West-Berlin weiter eskalieren zu lassen".

Nach dem Schuss war Kurras für die Stasi nutzlos

Wohl kaum jemand hatte das vermutet, und es ist auch nicht beweisbar, dass Kurras im Auftrag der Stasi handelte, als er auf Ohnesorg schoss. Auch das vermeintliche Motiv des Schusses („um die politische Situation in West-Berlin weiter eskalieren zu lassen“) hat Kurras im Dezember 2014 mit ins Grab genommen.

Ein Mord im Auftrag der Stasi scheint ausgeschlossen, wenn man die möglichen Folgen für die DDR bedenkt. Tatsächlich war Kurras für die Stasi sofort nach dem Schuss auf Ohnesorg vollkommen nutzlos; die Zusammenarbeit endete abrupt. In den 42 Jahre später bekannt gewordenen Akten nannte die Stasi Kurras schon am 9. Juni 1967 den „Mörder Benno Ohnesorgs“.

Kurras`SED-Parteibuch.
Kurras`SED-Parteibuch.

© picture alliance / dpa

Nicht auszudenken auch, wenn Kurras dem Druck nicht standgehalten hätte und sich kurz vor seinem Prozess in die S-Bahn gesetzt und nach Ost-Berlin gefahren wäre – zu seinen vermeintlichen Auftraggebern: „Hier bin ich, Auftrag erfüllt, jetzt bleibe ich hier, kümmert euch um mich“, hätte Kurras völlig zu Recht sagen können.

All das hätte bei einem entsprechenden Auftrag an Kurras abgewogen werden müssen. Die in West-Berlin vorhandenen Sympathien für den dortigen SED-Ableger, die SED-West (später SEW), die meist um die zwei Prozent der Stimmen in West-Berlin erzielte, wären dahin gewesen.

Den Besuchern der Dauerausstellung in der Villa Oppenheim wird jedoch der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine gesicherte historische Erkenntnis, dass Kurras einen Mord im Auftrag der Stasi begangen habe. Auf Anfrage erklärte das Museum, dass eine Ausstellung die darzustellenden Sachverhalte immer verknappen und zuspitzen oder auch werten müsse. Man habe nun einmal wenig Platz und keine Fußnoten, um Dinge differenzierter darzustellen. Nach Hinweisen des Tagesspiegels wurde die fehlerhafte Tafel inzwischen ersetzt. Auf einer anderen Tafel ist jedoch weiterhin zu lesen, dass Kurras im Auftrag der Stasi auf Benno Ohnesorg geschossen hat.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

Uwe Soukup

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