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Hier spricht Felicitas Karimi vom Verein „Willkommen im Westend“. Neben ihr: Stadtrat Marc Schulte, Stadträtin Elfi Jantzen, Pfarrer Frank Vöhler und Staatssekretär Dirk Gerstle. Nicht im Bild ist Sozialstadtrat Carsten Engelmann, er hatte Felicitas Karimi für ihre Rede Platz gemacht.

© Cay Dobberke

Hilfsbereitschaft statt Streit in Berlin: Warmer Empfang für Flüchtlinge in Westend

Um das neue Flüchtlingsheim im Villenviertel Berlin-Westend gibt es viel weniger Streit, als manche dachten. Eine Anwohnerversammlung zeigte jetzt: Die Bürger wollen vor allem helfen. Am 2. März ist die Eröffnung geplant.

Mit einem solchen Interesse hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Als Anwohner auf Einladung des Bezirks und der Kirchengemeinde Neu-Westend am Freitagabend über das geplante Flüchtlingsheim an der Eschenallee diskutierten, erwies sich das Gemeindehaus als viel zu klein. Also bat Pfarrer Frank Vöhler die etwa 350 Gäste in den Kirchensaal. Die von manchen erwartete hitzige Diskussion blieb aber aus – und das lag nicht an der Kälte im ungeheizten Saal.

Hilfsbereitschaft prägte das Treffen. Anwohner fragten, wo sie spenden können. Dafür sei es noch zu früh, sagte der Pfarrer, bis zur Eröffnung der Unterkunft würden höchstens Fahrscheine für Busse und Bahnen oder Hygieneartikel benötigt.

Zunächst ziehen 300 Menschen ein, später bis zu 500

Am 2. März sollen etwa 300 Flüchtlinge an der Eschenallee einziehen, sagte der Berliner Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU). Das Haupthaus der früheren Psychiatrieklinik der Charité wird zur Notunterkunft. Zwei Nebengebäude sollen umgebaut werden, in sechs Monaten entsteht so ein Dauerquartier für bis zu 500 Menschen.

Einige Bürger sahen diese „Ballung“ kritisch. Gerstle sagte, die mögliche Höchstzahl der Plätze sei bei einer Begehung geschätzt worden; ob wirklich 500 Flüchtlinge untergebracht werden, stehe nicht fest. Eine dezentralere Unterbringung sei wegen des starken Zustroms kaum machbar. Allein im Februar habe Berlin bisher mehr als 1500 Asylbewerber aufgenommen.

Zwei Anwohner klagen wohl doch nicht

Vor rund drei Wochen hatten zwei Anwohner in einem Brief an Nachbarn für eine Klage gegen das Wohnheim geworben, wegen einer drohenden „Schädigung von Vermögenswerten“. Die beiden ernteten Vorwürfe und Schmähungen, dem Vernehmen nach planen sie jetzt keine Klage mehr. Am Freitag spielte die Auseinandersetzung keine Rolle.

Volles Haus. Etwa 300 bis 350 Anwohner kamen zum Informations- und Diskussionsabend, den die Gemeinde Neu-Westend wegen des großen Andrangs in den Kirchensaal verlegte.
Volles Haus. Etwa 300 bis 350 Anwohner kamen zum Informations- und Diskussionsabend, den die Gemeinde Neu-Westend wegen des großen Andrangs in den Kirchensaal verlegte.

© Cay Dobberke

Sowohl Bürger als auch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf kritisierten aber die undurchsichtige Planung des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso). Auch Pfarrer Vöhler zeigte sich verwundert darüber, dass die Gemeinde erst durch den Tagesspiegel vom neuen Standort erfahren habe.

Staatssekretär Gerstle schilderte den Hergang: Ende 2014 habe sich das Land Berlin zum „Paradigmenwechsel“ entschlossen, ab jetzt wolle man möglichst landeseigene Immobilien nutzen. Denn private Gebäudevermieter wollten meist auch den Betrieb übernehmen. „Dann haben wir keine Wahl.“

Betreibersuche läuft bis Mittwoch

Die neueste Ausschreibung für das Haus an der Eschenallee endet am Mittwoch. Wie berichtet, hatte sich der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) schon Ende Dezember beworben. Die Eröffnung war damals für Anfang Februar geplant. Dann aber wurde die Ausschreibung gestoppt. Gerstle sagte dazu, dass der Betreiber ursprünglich die Umbauten finanzieren sollte, wozu nicht alle Interessenten in der Lage seien. Nun soll die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) die Bauarbeiten übernehmen. Die Vergabe wurde neu gestartet.

Die Kriminalität nimmt nicht zu

Eine Anwohnerin befürchtete mehr Kriminalität. Bezirks-Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) beruhigte: Laut Polizei sei es um Flüchtlingsunterkünfte nie zu mehr Delikten gekommen. So sah es auch Staatssekretär Gerstle, der hinzufügte, er wohne nur „75 Meter von einem Flüchtlingsheim entfernt“.

Nach der Veranstaltung sagten Anwohner dem Pfarrer, sie seien vor allem beunruhigt über die Unterbringung von Asylbewerbern aus dem Kosovo. Anders als bei Kriegsflüchtlingen aus Syrien gebe es kriminelle Strukturen unter Kosovo-Albanern, sagte ein junger Mann. Staatssekretär Gerstle hatte auf die geplante Beschleunigung der Asylverfahren für Kosovaren hingewiesen; schließlich liege die Anerkennungsquote bei unter einem Prozent. Es handele sich in der Regel um Wirtschaftsflüchtlinge.

Umgewidmet. Am 2. März soll das Flüchtlingsheim in der früheren Klinik an der Eschenallee in Neu-Westend öffnen.
Umgewidmet. Am 2. März soll das Flüchtlingsheim in der früheren Klinik an der Eschenallee in Neu-Westend öffnen.

© Cay Dobberke

Verein will an der Eschenallee helfen

Felicitas Karimi stellte unter Beifall den Verein „Willkommen im Westend“ vor. Er war vor knapp zwei Jahren als Reaktion auf Proteste gegen ein Flüchtlingsheim in der Soorstraße entstanden. In dem Kiez hätten sich „die Bedenken in Luft aufgelöst“, sagte Karimi.

Ein 15-jähriges Mädchen aus der Soorstraße fügte hinzu: „Ich habe keine Angst. Ich hatte zuerst ein mulmiges Gefühl, aber das war unbegründet.“ Das einzige Problem sei gelegentlicher Lärm – aber „wenn mein 19-jähriger Bruder eine Party feiert, wird es auch laut“.

Der Verein kümmert sich außerdem um Bedürftige in der zur Notunterkunft umfunktionierten TU-Sporthalle in Eichkamp. Redner forderten, die Bewohner der Sporthalle in die Eschenallee umzusiedeln – wenigstens in besonderen Härtefällen.

Flüchtlinge im „Haus der Kirche“?

Laut Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) appellieren BVV und Bezirksamt zusätzlich an die evangelische Landeskirche, ein leer stehendes Studentenheim im „Haus der Kirche“ am Charlottenburger Karl-August-Platz für Flüchtlinge zu öffnen. Man habe Bischof Markus Dröge einen Brief gesandt.

- Am Montag um 17 Uhr können Anwohner die geplante Unterkunft an der Eschenallee 3 besichtigen. Die Vorsitzende des BVV-Integrationsausschusses, Nadia Rouhani (Grüne), lädt zum Ortstermin des Gremiums ein.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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