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Der U-Bahnhof Bayerischer Platz und das Café Haberland.

© Mike Wolff

Wahl des Bezirksbürgermeisters in Tempelhof-Schöneberg: Kandidaten treffen auf Bürger am Bayerischen Platz

Wohnprobleme im Schöneberger Norden, Drogenhandel am Bayerischen Platz und das Gedenken an Eduard Bernstein sind die Themen im Café Haberland.

Abends in Schöneberg, Bayerischer Platz. Die Kandidaten für das Amt des Bezirksbürgermeisters stellen sich hier vor. Treffpunkt ist das Café Haberland, direkt über dem U-Bahnhof. Angelika Schöttler (SPD) ist da – sie ist die amtierende Bezirksbürgermeisterin. Jutta Kaddatz von der CDU hätte diesen Posten auch ganz gern, ist zurzeit Stellvertreterin. Und Jörn Oltmann ist da, er tritt für die Grünen an. Es soll kein Wahlkampf sein, sondern ein Austausch im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Wir sind Nachbarn".

Das Durchschnittsalter liegt bei 50 plus. "Das ist ja, als würde ein Altersheim einen Ausflug machen", sagt eine ältere Dame mit rauchiger Stimme zu ihrer Nachbarin. Am Nebentisch wird gestrickt.

Kernthema Wohnen

Das wichtigsten Thema ist sofort klar: Wohnen - vor allem angestoßen von Jörn Oltmann. Es ist sein Paradethema. Schnell wird das Schreckgespenst München heraufbeschworen. Die durchschnittliche Mietdauer im Bayerischen Viertel beträgt 27 Jahre. Das bedeutet auch, wenn neuer Wohnraum gebaut wird, muss man verstärkt mit den Mietern arbeiten, die hier schon seit Jahrzehnten leben.

"Es gibt zu wenig Instrumente zum Mieterschutz", erklärt der Grünenpolitiker Oltmann. Am Bayerischen Platz habe man zumindest durchgesetzt, dass es nicht zu Luxusrenovierungen kommt. "Am wichtigsten wäre es jetzt, dass man im Schöneberger Norden den Leuten hilft, damit sie sich auch in Zukunft ihre Wohnungen auch mit kleinem Geldbeutel leisten können", setzt er fort, aber die CDU hätte entsprechende Regelungen abgelehnt, die den Mieterschutz dort gestärkt hätten.

An dieser Stelle kommt es zur einzigen kleineren Auseinandersetzung des Abends, zwischen den Kandidaten Kaddatz und Oltmann. "Genügend Wohnraum ist der beste Mieterschutz", sagt Jutta Kaddatz. Man wolle das soziale Milieu im Norden nicht zementieren. Oltmann seufzt ins Mikrofon. Schnell kommt die CDU-Politikerin vom Wohnraum auf Schulen. Hier liegt ihr Fokus- sie ist Lehrerin im 41. Dienstjahr. "Es kann nicht sein, dass es sieben bis acht Jahre dauert vom Planungsbeginn bis wir eine Schule eröffnen können. Das ist zu lange", erklärt sie.

Die amtierende Bürgermeisterin wirkt wenig präsent bei der Debatte ums Wohnen. Ihr Kernthema: die Verwaltung, vor allem der Personalaufbau. "Wir müssen mehr ausgeben", sagt sie gleich zu Beginn.

Drogenhandel an der U7

Als das Mikro an die Zuhörer, die Anwohner, geht, ist plötzlich ein Thema wichtig, dass keiner der Kandidaten auch nur angedeutet hat: Kriminalität. Der Kiez hat eigentlich einen guten Ruf. Es gibt viele hübsche Altbauten, das Viertel ist sauber, es gibt kleine Läden, die Kiezgemeinschaft ist gut vernetzt. Und doch ist da dieses eine Thema, das so viele hier bewegt.

Drogenhandel in der U-Bahn und Taschendiebe sind ein tägliches Übel, beschwert sich einer der Betreiber des Weinlokals "Weinmichel", direkt am Bayerischen Platz. Der Laden hat erst im Februar aufgemacht. "Ich fahre jeden Tag mit der U-Bahn zur Arbeit und sehe jeden Tag offenen Drogenhandel und erst vor ein paar Tagen wurde einem unserer Kunden die Geldbörse geklaut", sagt er. Zustimmendes Raunen und Nicken. "Genau", ruft ein Mann von hinten.

Dass nicht nur im Görlitzer Park oder in der Hasenheide gedealt wird, ist kein Geheimnis. Die Linie U7 ist die längste U-Bahn-Linie Berlins und sie hat die U8 als größten Umschlagplatz für Drogen abgelöst.

Und der U-Bahnhof Bayerischer Platz liegt mitten in diesem Kosmos der U7, quasi in der Mitte der Problemlinie. Eingerahmt im Westen vom ebenso für Drogenhandel bekannten U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße und im Osten vom Hermannplatz in Neukölln.
Hier wird deutlich, dass Drogenhandel oft keine Stadtteilproblematik ist, sondern ein U-Bahn-Problem. Die Rede ist längst von „Heroin-Banden“, die vor allem auf dem westlichenAbschnitt der U7 unterwegs seien, zwischen Adenauerplatz und Wilmersdorfer Straße – dort im bürgerlichen Kiez, am Stuttgarter Platz, hatten sich auch schon Anwohner über die Drogen beklagt.

Drogenhandel in der U-Bahn ist bequem. Man kommt schnell von einem Ort zum nächsten und kann schnell abhauen.

"Die Polizei ist informiert und zeigt hier erhöhte Präsenz. Es kann sein, dass man das nicht so wahrnimmt, weil manchmal Polizisten ja auch in zivil sind", erklärt Bezirkschefin Schöttler. Bei der Polizei kann man dazu erst noch keine Auskunft geben. Der Tagesspiegel hat eine Anfrage gestellt und wartet auf die Antwort.

Eduard Bernstein bekommt eine neue Tafel - aber wann?

"Wir sind sehr stolz darauf, dass wir hier im Kiez Geschichte sichtbar machen", sagt Angelika Schöttler. Besonders stolz ist sie auf die Stolpersteine im Kiez. Ein berühmter Sozialdemokrat und Bewohner des Bayerischen Viertels ist allerdings seit mehr als 1,5 Jahren unsichtbar. Die Gedenktafel für Eduard Bernstein in der Bozener Straße wurde vor geraumer Zeit gestohlen. Der Bezirk hat sie noch immer nicht ersetzt - aber man ist dran, sagt die Bürgermeisterin.

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"Es wird bald eine neue Gedenktafel geben, aber nicht aus Bronze, damit sie nicht wieder gestohlen wird", so die SPD-Politikerin. Einen Zeitplan gebe es dafür noch nicht. Auf die Frage, warum es überhaupt so lange gedauert hat, heißt es, dass gerade nach einem Material gesucht wird, das sichtbar ist, aber nicht gestohlen wird. Sie sei zudem sehr froh, dass der Bezirk es nach sechs Jahren geschafft habe, dass Eduard Bernstein wieder ein Ehrengrab der Stadt Berlin bekommt.

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