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Das IGA-Jahr in Marzahn-Hellersdorf ist vorbei - nun warten neue dornige Chancen auf den Bezirk.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlins Bezirke im Polit-Check: Lauter dornige Chancen in Marzahn-Hellersdorf

Im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf geht es nach dem IGA-Jahr nun um Kindeswohl, neue Verkehrsprojekte und die Zukunft des Schlosses Biesdorf.

Was war: IGA und AfD

Ein Jahr der wahr gewordenen Blütenträume hätte es für Marzahn-Hellersdorf werden sollen. Doch es überwogen die dornigen Chancen. Der Osten der Stadt stand als Ort der Internationalen Gartenausstellung im Blickpunkt. Die große Euphorie blieb allerdings aus – genauso wie die erhofften Besuchermassen. Was Anwohner wirklich von dem neuen, in Teilen kostenlosen Park haben, werden sie erst in den nächsten Jahren merken.

Das gilt so ähnlich auch für die Politik. 2017 war geprägt vom Orientieren, Sortieren, Abtasten, immer wieder auch Attackieren, aber das selten auf konstruktive Weise. Die AfD hat sich in der Bezirksverordnetenversammlung breitgemacht – und erst mal mussten sich alle aneinander gewöhnen. Bei der Berlinwahl im September hatten die Rechtspopulisten, die sich selbst lieber nationalkonservativ nennen, im Bezirk mehr als 23 Prozent der Stimmen bekommen. Damit stellen sie hinter der Linken nicht nur die zweitstärkste Fraktion, sondern auch den Vize-Bürgermeister, Stadtrat Thomas Braun.

Dieser Größe wurde die AfD bisher kaum gerecht. In Erinnerung sind vor allem Ausfälle und Provokationen, etwa die Forderung, das Bezirksamt möge die Wohnorte von Islamisten veröffentlichen (unter dem Titel: „Integrationshemmnis für Flüchtlinge beseitigen“). Gewaltverherrlichende Kommentare auf der Facebookseite ihres Bezirksverbandes spielte die Partei herunter (die Staatsanwaltschaft kümmerte sich ebenfalls nicht), reklamierte ansonsten aber eine „konstruktive Arbeit“ für sich. Das trifft in einzelnen Fällen zu, doch mit nennenswerten politischen Impulsen ist die AfD in Marzahn-Hellersdorf noch nicht in Erscheinung getreten.

Was wird: Kinder, Straßen, Cleantech

Der IGA-Traum ist zu Ende, umso dringender müssen nun Lösungen für einige Langzeitprobleme her. Als größte Herausforderung hat Familien- und Jugendstadtrat Gordon Lemm (SPD) die Verarmung und Vernachlässigung von Kindern benannt. Das drückt sich zum Beispiel aus in den Kosten für Hilfen zur Erziehung (zuletzt 75 Millionen Euro), in der Zahl der Kinderschutzfälle (rund 1000 in 2017) und dem Förderbedarf bei der Einschulung (60 Prozent im letzten Sommer). Lemm hat angekündigt, die Hilfsmaßnahmen komplett zu überarbeiten. Schnelle Wunder sind nicht zu erwarten – doch die Umsetzung des Konzeptes muss in diesem Jahr erkennbar werden.

Zentrales wirtschaftliches Projekt ist der Cleantech Business Park. Berlins größtes Industriegebiet (90 Hektar) soll Unternehmen mit nachhaltigen Technologien aufnehmen. Das Gelände ist längst erschlossen – aber leer. Im Hin und Her zwischen Senat und Bezirk ist bisher keine einzige Ansiedlung gelungen.

Verzögerungen bei den Verkehrsprojekten

Mit dem Land und teils sogar mit Brandenburg muss sich Wirtschafts- und Verkehrsstadtrat Johannes Martin (CDU) auch bei drei anderen Vorhaben auseinandersetzen: Ahrensfelde am Marzahner Nordrand ist ein Nadelöhr auf dem Weg zum Berliner Ring, die Planung einer Ortsumfahrung stockt seit Jahren, jetzt will der Bezirk sie wieder anschieben.

Die Planung der gerade von der Wirtschaft herbeigesehnten Schnellstraße TVO zwischen Köpenick und Marzahn zieht sich ebenfalls hin, ein Baubeginn ist nicht in Sicht. Außerdem ringt Martin mit Senat und BVG um die künftige Verkehrsführung im Zentrum von Mahlsdorf. Mittendrin: Ex-Senator Mario Czaja, der dort für die CDU 47 Prozent errang.

Neues Kulturprojekt im Schloss Biesdorf

Nebenan in Biesdorf sorgt sich alle Welt um eine Turmvilla, die 150 Jahre alt wird: Kurz vor Weihnachten hat die landeseigene Grün Berlin das „Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum“ aufgegeben, weil zu wenige Besucher kamen. Nun muss der Bezirk den Galeriebetrieb im Schloss Biesdorf selbst übernehmen, an den Millionenförderungen geknüpft sind – und große Erwartungen der Bevölkerung. Die linke Kulturstadträtin Juliane Witt ist damit jetzt ganz persönlich in der Verantwortung.

Die Bürgermeisterin glänzt nicht durch Innovationsfreude

Ob Probleme zu Lösungen und Chancen zu Erfolgen werden, hängt auch von Bürgermeisterin Dagmar Pohle ab. Sie muss beim Senat die nötige Unterstützung organisieren, um den wachsenden und alternden Bezirk am Rande der Stadt voranzubringen. Die Linken-Politikerin kennt die Verwaltung in- und auswendig. Durch Innovationsfreude ist sie allerdings noch nicht aufgefallen. Das muss man ja nicht gleich mit Blütenträumen verwechseln.

Fehlt noch einer? Genau: Thomas Braun. Der AfD-Stadtrat hat mit den Bereichen Bürgerdienste und Wohnen ein ziemlich schmales Ressort zugewiesen bekommen. Die Konkurrenz wollte die 23-Prozent-Partei kleinhalten – und beging damit einen strategischen Fehler. Während der Rest der Verwaltungsspitze jeden Monat vor den Bezirksverordneten seine Arbeit rechtfertigen muss, kann Braun sich meist entspannt zurücklehnen. Und das wird so bleiben.

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