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Katrin Lompscher (Die Linke) ist seit 8. Dezember 2016 Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen.

© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher: "Ferienwohnungen sind auch Zweckentfremdung"

Bausenatorin Lompscher will Berlins Wohnungen besser vor Missbrauch schützen und die Geltungsdauer von Baugenehmigungen verkürzen, damit rascher gebaut wird. Der Bau von Hochhäusern hat dagegen für sie noch Zeit.

Frau Lompscher, der Bundestag hat eine Novelle des Baurechts beschlossen. Künftig sollen Gemeinden Wohngebiete im Außenbereich ohne frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, ohne Umweltprüfung und ohne Ausgleichspflichten ausweisen dürfen. Hilft das Berlin, damit Projekte schneller vorankommen?

Das möchte ich bezweifeln. Es mag sein, dass es das eine oder andere abgelegene Projekt gibt, bei dem man auf all dies verzichten kann, aber in der Regel gilt: Akzeptanz für die Entwicklungserfordernisse der wachsenden Stadt gewinnt man durch Partizipation, Dialog auf Augenhöhe und indem man klar macht, was die Stadt braucht und welche Vorteile sich durch die Projekte für die Allgemeinheit ergeben.

Auf der anderen Seite verzögert Partizipation auch Planungsprozesse. Sie waren vor einigen Monaten auf einer Begehung mit Kaufhausunternehmer Kurt Krieger, der zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Pankow-Heinersdorf ein neues Stadtquartier entwickeln möchte und auch entwickeln soll. Zu sehen ist davon an Ort und Stelle: nichts. Der Güterbahnhof dort wurde 1994 stillgelegt. Würden Sie sagen, das Projekt ist planerisch auf einem guten Wege?

Dieses Projekt stockt nicht wegen zu viel oder zu wenig Beteiligung. Hier hapert es an einer Verständigung der Verfahrensbeteiligten über Grundzüge der Planung, sodass man sagen kann: Es ist unterwegs. Bevor es voran gehen kann, musste unter anderem belastbar geklärt werden, ob frühere Festlegungen aus dem Flächennutzungsplan zu übergeordneten Straßen obsolet sind, wo die ÖPNV-Interessen der Zukunft liegen, wie viel Einzelhandel das Quartier braucht oder welche Nachnutzungsperspektiven es für die Altbauten auf dem Areal gibt. Auch aufgrund des politischen Wechsels mussten sich die beteiligten Akteure neu sortieren. Jetzt sind die neuen Verantwortlichen dabei, den unterschriftsreifen Grundlagenvertrag entweder abzuschließen oder notwendige Änderungen schnell zu konkretisieren.

Wir haben aber doch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus gehört, von Ihrem Amtsvorgänger Andreas Geisel, dass der Vertrag unterschrieben sei.

Mein Kenntnisstand ist: Der Vertrag ist unterschriftsreif, muss aber noch von allen Seiten bestätigt werden. Dass sich einige Beteiligte einen größeren Anteil Wohnungen wünschen, zulasten von Einzelhandelsflächen, dafür habe ich sogar Verständnis. Und ich bin mir auch sicher, dass auch Herr Krieger verhandlungsbereit wäre. Wir müssen uns über diese Dinge jetzt schnell verständigen.

Eigentlich hatte doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das ganze Verfahren an sich gezogen.

Nein, nichts dergleichen. Die Grundzustimmung ist etwas, was mit dem Land gemeinsam verhandelt werden muss, weil ja eine Flächennutzungsplanänderung erforderlich ist. Der Bezirk besteht auf seiner Planungshoheit und wir haben das von Senatsseite nicht infrage gestellt.

Berlin ist mehr noch als alles anderen deutschen Großstädte eine Mieterstadt. Es gibt Vorschläge der Bundes-CDU und auch der Bundes-SPD, jungen und einkommensschwächeren Haushalten, den Sprung ins Wohneigentum zu erleichtern – zum Beispiel durch ein „Baukindergeld“ und Förderinstrumente wie verbilligte Kredite. Was können Sie auf der Landesebene tun, Eigentum zu fördern? Und: Wollen Sie das überhaupt?

Wenn wir uns die Bodenpreis- und die Einkommensentwicklung in Berlin anschauen, dann ist die Eigentumsförderung für Haushalte mit wenig Geld tatsächlich eine Illusion. Unsere politische Schwerpunktsetzung, uns um bezahlbaren Mietwohnungsbau für eine Klientel mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu kümmern, ist vor diesem Hintergrund nach die einzig richtige Schwerpunktsetzung.

Aber die Zinsen sind doch immer noch günstig?

Es reicht aber nicht, keine oder Minuszinsen zahlen zu müssen. Wenn die Raten für die Tilgung angesichts der Bau- und Bodenpreise so hoch sind, dass die Menschen mit ihrem Einkommen sich das schlicht nicht leisten können, ist das keine realistische Option.

Ihr Vorgänger im Amt, Andreas Geisel, hatte eine Spekulationssteuer vorgeschlagen für diejenigen, die sich eine Baugenehmigung verschaffen, um Grundstücke so höher einzupreisen – und erst einmal nicht bebauen. Arbeiten Sie an dem Ansatz weiter?

Hier können wir auf Landesebene nicht tätig werden. Interessanter scheint mir daher der Ansatz, die Geltungsdauer von Bauvorbescheiden und Baugenehmigungen zu verkürzen. Damit nur diejenigen in den Genuss einer solchen Baugenehmigung kommen, die tatsächlich auch beabsichtigen zu bauen.

Und das machen Sie jetzt?

Das ist in Vorbereitung und in der Koalition besprochen. Die notwendige Änderung der Bauordnung werden wir in Angriff nehmen.

"Wohnen im Hochhaus ist teuer"

Katrin Lompscher (Die Linke) ist seit 8. Dezember 2016 Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen.
Katrin Lompscher (Die Linke) ist seit 8. Dezember 2016 Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen.

© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Es wird immer wieder kolportiert, Sie seien gegen Hochhäuser. Stimmt das überhaupt, wenn man Sie hier in Ihrem Büro im 14. Stock arbeiten sieht?

Gegen Hochhäuser zu sein würde bedeuten, dass man die Dynamik verkennt, die es in dieser Stadt gibt. Ich bin nicht gegen Hochhäuser, sondern für eine geordnete Stadtentwicklung. Hochhäuser müssen dort errichtet werden, wo es sinnvoll ist, und nicht dort, wo es sich aus Sicht eines privaten Eigentümers gerade anbietet. Man sollte sich keine Illusionen darüber machen, welchen Beitrag solche Bauten zu einer sozialen Wohnraumversorgung leisten können. Wohnen im Hochhaus ist teuer, weil es teuer ist, sie zu errichten. Man muss sich außerdem klar machen, welche stadtgestalterische Wirkung sie nicht nur in der Silhouette sondern auch angesichts ihres Fußabdrucks hinterlassen. Ein Hochhaus sieht von weitem elegant und schmal aus. Auf seinen unmittelbaren Stadtraum hat es aber erhebliche Auswirkungen. Das ist einer der Gründe, warum wir sagen: Wir brauchen verbindliche Leitlinien für die Hochhausentwicklung in Berlin. Darin muss geklärt werden an welchen Standorten Hochhäuser städtebaulich und stadtgestalterisch sinnvoll und verträglich sind. Ein solches Konzept muss außerdem Fragen beantworten zu ihrem Nutzen für die Allgemeinheit und für den öffentlichen Raum.

Was haben Sie gegen finanzkräftige Menschen aus dem Ausland – darunter vielleicht auch finanzkräftige Investoren – die sich nichts Schöneres vorstellen können als am unwirtlichen Alexanderplatz mit dem Fahrstuhl in die 60. Etage eines Hochhauses zu fahren, um von dort aus die Welt zu betrachten?

Ich bin mir gar nicht sicher, ob es davon tatsächlich so viele gibt. Aber gut, nehmen wir mal an, wir haben all diese kaufkräftigen Investoren, die unbedingt diesen Blick auf Berlin brauchen. Beim Thema Alexanderplatz ist für mich die absolut entscheidende Frage: Wie geht ein Hochhauskonzept mit dem Wahrzeichen Fernsehturm um? Ich stelle nicht den Alexanderplatz als Hochhausstandort infrage, wünsche mir aber eine Komposition, die die Dominanz des Fernsehturms und die wichtigen Sichtbeziehungen akzeptiert. Und zwar sowohl was die Standorte angeht als auch die Höhenentwicklung.

Wo wir gerade über Horizonte sprechen: Gibt es schon einen Zeithorizont für diesen Hochhausrahmenplan?

Ein entsprechender Antrag der Koalition befindet sich im Geschäftsgang des Abgeordnetenhaus. Realistischerweise muss man damit rechnen, dass man zwei Jahre braucht, bis man hier eine vernünftige – und auch mit Öffentlichkeitsbeteiligung fundierte – Planungsgrundlage hat. Das hieße von heute an 2019.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat also noch nichts in der Schublade.

Auch wenn es schon Vorarbeiten oder einen Plan gäbe, müssten wir ihn sorgsam prüfen und diskutieren.

Ferienwohnungen sind ein Angebot, das zur Palette der Unterkünfte gehört wie Ferienzimmer und Hostels. Zugespitzt gefragt: Wie würden Sie es finden, wenn es an der von Berlinern geliebten Ostsee keine erschwinglichen Ferienwohnungen mehr gäbe und alle Berliner und Berlinerinnen gezwungen wären, dort entweder zu zelten oder ein Hotel zu nehmen?

Das würde ich nicht vergleichen wollen. Die Situationen an Küsten und in Tourismusregionen sind völlig andere als in Ballungsräumen. Wenn es in gewachsenen Strukturen mit häufig ländlichem Charakter möglich ist, Unterbringungen in Wohnungen und Häusern zu integrieren, kann das durchaus angemessen sein. Wenn die Zahl der Ferienwohnungen in solchen Orten überhandnimmt, führt es im Übrigen auch dort zu Problemen. In Berlin haben wir aber eine andere Situation. Wir haben in den letzten 20 Jahren Hotelbetten in Größenordnungen hinzugefügt. Berlin hat eine Hoteldichte, die ihresgleichen in anderen europäischen Städten sucht – einer der Gründe, weshalb das Hotelzimmer hier noch vergleichsweise billig ist. Zugleich verzeichnen wir einen zunehmenden Wohnungsmangel. Deshalb müssen wir den Wohnraum vor Zweckentfremdung schützen. Und Zweckentfremdung heißt auch Ferienwohnungsnutzung. Was natürlich nicht verboten ist, wenn Menschen ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellen.

Die Verwaltung des Mangels bleibt Berlins Thema: Es gibt einen Landesentwicklungsplan und es gibt auch Gespräche mit dem Land Brandenburg über den Verflechtungsraum Berlin-Brandenburg – doch mit greifbaren Ergebnissen ist damit noch nicht zu rechnen. Wie wichtig ist Ihnen die aktuelle Weiterentwicklung des Speckgürtels?

Wenn wir über Berlin und Brandenburg reden, dann reden wir über eine gemeinsame Hauptstadtregion und meinen damit die Territorien beide Länder in Gänze. Also nicht nur das Berliner Umland, sondern auch die anderen Regionen Brandenburgs. Dank einer gemeinsamen Landesplanung verfügen wir über ein gutes Niveau, auf dem wir kooperieren können. Um erfolgreich zu sein, müssen wir aber die unterschiedlichen Interessenlagen antizipieren. In Brandenburg gibt es eine große Sorge, dass bei einer Konzentration auf das Berliner Umland das übrige Landesgebiet ins Hintertreffen gerät. Diese Sorge kann ich absolut verstehen und sage: Das Problem muss man in Angriff nehmen. Die starken Wachstumsimpulse müssen sich am Siedlungsstern entlang in die weiter entfernten regionalen Zentren in Brandenburg orientieren. So kann die Entwicklung für beide Seiten von Vorteil sein. Darüber reden wir mit der Landesregierung Brandenburg, aber auch im aktuellen Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion.

Welches ist das wichtigste stadtplanerische Vorhaben, das Sie persönlich in der vor Ihnen liegenden Zeit unbedingt durchsetzen möchten?

Es gibt nicht das „eine“ Vorhaben. Was wir brauchen, ist ein städtebaulich geordneter, sozial gerechter und ökologisch vorbildlicher Umgang mit dem Wachstum dieser Stadt. Wir müssen uns klarmachen, dass es nicht nur darum geht, zusätzlichen Wohnraum zu produzieren, sondern um die Schaffung lebendiger Stadtquartiere. Infrastrukturen, Mobilitätskonzepten, Vielfalt, Demografie – dies alles müssen wir mitdenken. Vor dem Hintergrund stehen natürlich die landeseigenen Wohnungen und öffentliche Infrastrukturbauten, insbesondere Schulen, besonders im Fokus.

Katrin Lompscher (Linke) ist neue Stadtentwicklungs- und Bausenatorin von Berlin. Das Interview führte Reinhart Bünger.

Weitere Artikel zum Investitions- und Wohnstandort Berlin finden Sie in dem 36-seitigen Heft "Neubauten", das heute dem Tagesspiegel beiliegt. Lesen Sie mehr dazu hier.

Das Tagesspiegel-Magazin NEUBAUTEN ist heute am Kiosk erhältlich.
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