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Dunkle Wege.

© D. Spiekermann-Klaas

Berliner Unterwelten: Ältester U-Bahn-Tunnel öffnet ab April für Besucher

Lange Zeit war der AEG-Versuchstunnel nicht begehbar. Jetzt konnte Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten die ersten Besucher hindurchführen.

Kein Bahnsteiggedränge, keine quietschenden Waggons, die sich durch den Berliner Untergrund schlängeln und keine elektronische Stimme, die zum „Zurückbleiben, bitte!“ auffordert. Alles, was man in Deutschlands ältestem U-Bahn-Tunnel heute noch hört, ist das eigene Echo. Öffentlichen Personenverkehr gab es hier nie, denn der Röhrenbau war ein internes Firmenprojekt der AEG.

An den Transport von Material und Fabrikmitarbeitern entlang der Backsteinmauern in rund 6,50 Metern Tiefe erinnern heute nur noch Stromkabel, Oberleitungen und eine handbetriebene Draisine nach preußischem Vorbild am Eingang. Ab dem 8. April macht der Verein Berliner Unterwelten die Gleise jetzt immer samstags um 11 Uhr und 13 Uhr in einer 90-minütigen Führung für Besucher zugänglich. Fast 120 Jahre nach der Inbetriebnahme auf dem ehemaligen Werksgelände der Allgemeinen Electricitäts-Gesellschaft (AEG) an der Voltastraße geht es nun zu Fuß durch die 3,15 Meter hohe und 2,60 Meter breite Röhre.

Unterhalb des Großstadtgetümmels erfahren die Besucher viel über die Firmengeschichte und die vielseitige Nutzung des 374 Meter langen Tunnels, der bis 1984 das Großmaschinenfabrikgelände am Humboldthain mit der Apparateherstellung in der Ackerstraße verband. Mit dessen Bau schaffte die AEG den Beweis dafür, dass eine Untergrundbahn nach dem Vorbild der Londoner Tube auch im grundwasserreichen Berlin funktionieren kann. Für den Personenverkehr langfristig durchgesetzt hat sich später aber das Konkurrenzmodell der Unterpflasterbahn von Siemens, die 1902 mit der U1 zwischen der Warschauer Brücke und dem Gleisdreieck erstmals auf Tour ging.

Fotografien zeigen die Geschichte

Der AEG-Versuchstunnel wurde dagegen bis 1914 weiterhin als betriebsinternes Transportmittel genutzt, bevor er im Ersten Weltkrieg für die Munitionsproduktion und im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzanlage für Werksmitarbeiter diente. Die später mit Beton verschlossenen Gleise lassen außerdem vermuten, dass die Röhre von der Firma als Teststrecke für erste akkubetriebene Fahrzeuge genutzt wurde.

Mit der Standortschließung der AEG in Berlin 1984 geriet der Tunnel unterhalb des Fabrikgeländes in Gesundbrunnen vorerst in Vergessenheit. Erst durch die Bemühungen der Berliner Unterwelten, die seit 1997 mit inzwischen sieben verschiedenen Führungen Blicke in die Tiefen der Hauptstadt ermöglichen, konnte 2016 die Sanierung beginnen. Dabei musste zuerst der 1,10 Meter hohe Abwasserpegel innerhalb des Tunnels abgepumpt werden, dann wurden 320 Meter historische Gleisanlagen instandgesetzt. Alle Arbeiten haben den Verein gerade einmal 2000 gekostet – „eines der günstigeren Projekte“, sagte Unterwelten-Vorsitzender Dietmar Arnold. Im Tunnel ausgestellte Fotografien zeigen außerdem die ersten U-Bahnwagen und den geschichtlich bedingten Wandel der Tunnelnutzung.

Ein kuscheliger Besuch wird es aber nicht: Ohne festes Schuhwerk und lange Kleidung könnte der Besuch in Deutschlands ältestem U-Bahn-Tunnel bei konstant etwa zehn Grad schnell unangenehm werden.

Eintritt: 11 Euro. Anmeldung und Infos unter www.berliner-unterwelten.de

Julia Sergon

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