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Knappes Gut: Berlin braucht jedes Jahr rund 2500 neue Lehrer.

© dpa

Berliner Schulen: Das ist wirklich Chefsache

Der Bedarf an neuen Lehrern in Berlin ist enorm. Deshalb ist nun der Regierende Bürgermeister selbst gefragt. Michael Müller braucht einen Masterplan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Vieth-Entus

Es kommt nicht oft vor, dass Schule in Berlin Chefsache ist. Zum letzten Mal dürfte das 2004 gewesen sein. Damals entschied Klaus Wowereit, dass Berlin seine Lehrer nicht mehr verbeamten soll. Seither stehen die wechselnden Bildungssenatoren vor der Herausforderung, genügend Pädagogen zu finden, die bereit sind, auch ohne Verbeamtung durchs Leben zu gehen.

Bislang hat das geklappt. Irgendwie. Hohe Zuschläge für die Angestellten, Quereinstieg, Werbekampagnen von Hessen bis Österreich und der Einsatz von Studienräten in Grundschulen gehören zum Instrumentenkasten, der mit zunehmendem Bedarf immer vielfältiger geworden ist. Und der jedes Jahr dazu beitrug, dass die Lehrerzimmer zwischen Spandau und Neukölln wieder voll wurden.

Durchwurstelei mit ungewissem Ausgang

Ob Berlin auf Dauer mit dieser Durchwurstelei erfolgreiche Schulen betreiben kann, steht in den Sternen – klar ist, dass der Lehrerbedarf auch künftig sehr hoch bleiben wird: Rund 16.000 neue Lehrer müssen in den nächsten sieben Jahren eingestellt werden – noch einmal rund 3000 mehr, als bislang berechnet. Dies liegt an den Flüchtlingen und am starken Zuzug. Beides führt dazu, dass die Zahl der Schüler um 75.000 steigt.

Man muss diese Zahlen nicht dramatisieren. Bildungssenatorin Sandra Scheeres verweist zu Recht darauf, dass der jährliche Bedarf nicht größer sein wird als 2014 – dem Jahr, als Berlin es schaffte, 2700 neue Lehrer in die Schulen zu schicken. Allerdings hat sich seither etwas Gravierendes geändert: Der Zuzug der Flüchtlinge führt dazu, dass auch in jenen Ländern die Lehrer knapper werden, aus denen Berlin in der Vergangenheit Pädagogen erfolgreich abwerben konnte. Daher muss bezweifelt werden, dass sich die gut ausgebildeten Studienräte von Passau bis Reutlingen auch künftig noch auf den Weg nach Berlin machen werden, um in ihrem Beruf arbeiten zu können.

Lernen aus alten Fehlern

Dem Koalitionspartner CDU fällt angesichts des knappen Lehrernachwuchses seit Jahren nichts anderes ein, als gebetsmühlenartig die Rückkehr zur Verbeamtung der Lehrer zu fordern. Und das, obwohl längst bekannt ist, dass Berlin die meisten potentiellen Lehrer auf ganz andere Art vergrault hat – durch fehlende Studienplätze. Und obwohl auch die CDU wissen müsste, wie sehr die Versorgungslasten für die verbeamteten Lehrer die Etats der Länder lähmen: Allein Berlin muss jährlich über 600 Millionen Euro für diesen Posten ausgeben.

Die SPD ist gut beraten, sich nicht erneut auf diesen Zug zu setzen. Inzwischen zeigt ihre Bildungssenatorin einige Ansätze, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen: Sie hat die Universitäten verpflichtet, zumindest mehr Grundschullehrer auszubilden, weil ihr Mangel besonders eklatant ist. Und der SPD-Finanzsenator verhandelt mit der GEW über eine bessere Bezahlung der angestellten Lehrkräfte. Das wird allerdings nicht reichen, so viel steht fest angesichts des immensen Bedarfs.

Warum nicht geflüchteten Lehrern eine Chance geben?

Daher täte Wowereits Nachfolger Michael Müller gut daran, die Schule ebenfalls zur Chefsache zu machen, aber ganz anders: Er könnte einen Masterplan anregen. In dem könnte beispielsweise stehen, dass man geflüchtete Lehrer zu Assistenzlehrern machen sollte, anstatt sie auf die Hartz-IV-Bank zu schieben. Oder dass man Physiker und Mathematiker durch Prämien in Berlin hält. Jetzt ist es Zeit, Zeichen zu setzen, denn Berlin wählt zwei Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres. Müller könnte also richtig punkten.

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