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Wolf Biermann beim Konzert anlässlich seines 80. Geburtstags am 18. November 2016 im Berliner Ensemble.

© Jörg Carstensen/dpa

Berliner Schauspielschule "Ernst Busch": Großes Theater um verspätete Biermann-Einladung

Wolf Biermann gehörte zu den Gründern der bat-Bühne in Prenzlauer Berg. Zur Wiedereröffnung war er erst mal nicht geladen. Freunde nennen das einen kulturpolitischen Skandal.

Die Einladung ist formal und schlicht, auf Anrede oder Würdigung des Adressaten wird verzichtet. Und sie kam überraschend kurzfristig am 18. Mai – bis zur feierlichen Wiedereröffnung der bat-Studiobühne der Ernst-Busch-Schauspielschule am 31. Mai waren es nur noch zwei Wochen. Der Adressat ist kein Unbekannter: Wolf Biermann, Liedermacher, Linken-Schreck und DDR-Dissident. Biermann gründete 1961 das „Arbeiter- und Studententheater“ b.a.t., das die SED schon 1963 wieder schließen ließ. Später wurde es in die Schauspielschule integriert.

Frühere DDR-Oppositionelle wollen protestieren

Die unpersönliche Einladung an jemanden, der eigentlich Ehrengast sein sollte, empfinden Biermann-Freunde als kulturpolitischen Skandal. Freya Klier und Günter Jeschonnek, die zusammen Anfang der 1980er Jahre an der Ernst Busch Regie studierten, bereiten zusammen mit anderen DDR-Oppositionellen einen Offenen Protestbrief an Wolfgang Engler, den Rektor der Schauspielschule, vor. Darin ist nach Informationen des Tagesspiegels von einem „erneuten Rauswurf“ Biermanns die Rede, in Anspielung auf seine Ausbürgerung aus der DDR 1976. Unterzeichnen will den Brief auch die Schriftstellerin Ines Geipel, die selbst an der Ernst Busch unterrichtet. Engler, studierter Philosoph und Soziologe, wurde 1981 Dozent an der Hochschule, unter anderem für Marxismus-Leninismus. Die Wendezeit überstand er im Gegensatz zu vielen Kollegen ohne Jobverlust. Seit 2005 leitet er die Schauspielschule.

Einladung auf "Druck von oben"?

Klier und Jeschonnek vermuten, dass die verspätete Einladung an Biermann auf Druck von oben erfolgt ist, also von der Senatskanzlei oder der für die Schule zuständigen Senatsverwaltung für Wissenschaft. Schließlich ist Biermann Ehrenbürger Berlins. Die Leitung der Schule selbst habe den Liedermacher nicht einladen wollen, um einen möglichen Affront gegen die Linkspartei zu verhindern. 2014 hatte Biermann bei einem Auftritt im Bundestag heftig gegen die Linke polemisiert.

Wolfgang Engler weist diese Darstellung zurück. Biermann sei nicht eingeladen worden, weil man gar nicht an ihn gedacht habe, als es um diese Frage ging. Die feierliche Wiedereröffnung nach der Schließung des bat 2015 sollte in einem kleineren Kreis erfolgen. „Wir wollten uns bei denen bedanken, die den Umbau des bat-Theaters möglich gemacht haben“, sagt Engler, also beim Architekten, den Bauleuten und dem Senat.

Schauspielschule sieht Kampagne

Erst durch Medienanfragen habe man davon erfahren, welche Reaktionen die Nicht-Einladung Biermanns ausgelöst habe. „Wir waren völlig verblüfft“, sagt Engler. Um einer möglichen „Kampagne gegen die Hochschule den Wind zu nehmen“, habe man entscheiden, Biermann doch noch einzuladen. Eine Antwort des Künstlers steht noch aus.

Eine Kampagne gegen Engler oder die Schule insgesamt würde allerdings kaum noch Sinn machen. Schon im Sommer endet dessen reguläre Amtszeit als Rektor, er wird dieses Jahr 65. Als Engler 2005 die Leitung übernahm, gab es Vorwürfe, er habe im Wendeherbst 1989 Studenten der Schauspielschule davon abgehalten, sich offen der DDR-Opposition anzuschließen. Engler wies das damals zurück. Er sei kein Oppositioneller gewesen, aber auch kein linientreuer Marxist, seine Rolle beschrieb er in einem Interview der Berliner Zeitung als „etablierter Außenseiter“. Nach der Wende schrieb Wolfgang Engler mehrere Bücher über die Befindlichkeiten der Ostdeutschen.

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