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Berliner Kultur: Nachts sind alle Sänger grau

Moon Suks Name ist Programm: Wenn der Mond aufgeht, beginnt sie ihren musikalischen Rundgang.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Bericht erschien bereits am 26. August 2015 im Tagesspiegel, war aber bisher nicht online, was wir hiermit auf Bitten von Lesern nachholen. Leider ist das damalige Foto nicht mehr verfügbar.

Zwischen den Damen in eleganten Sommerkleidern und den feinen Herren im Jackett fällt die zierliche Koreanerin durch ihren Strohhut und die weiße Fransenhose sofort auf. Mit ihrer roten asiatischen Laterne in der Hand weist Moon Suk ihren rund 20 Gästen den Weg durch den abendlichen Tiergarten. Die Gruppe überquert die Luiseninsel und kommt unter den Ästen einer großen Buche zum Stehen. Erwartungsvolle Stille. Dann beginnt Moon zu singen. Sie eröffnet mit der Arie "Ombra mai fu" von Georg Friedrich Händel. Ihre Sopranstimme scheint die gesamte Wiese zu durchdringen. Bevor es zur nächsten Naturszenerie geht, erklingt ein zweites Lied, diesmal die deutsche Übersetzung des französischen Chansons "Reste" von Charles Aznavour. In unregelmäßigen Abständen organisiert die Koreanerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Ernst Becker einen musikalischen Abendspaziergang durch den Großen Tiergarten. "Serenade by Moon" nennen sie das. Becker erklärt, die ausgebildete Opernsängerin mit dem wunderbar doppeldeutigen Namen singt.

"Es gibt keine bestimmte Reihenfolge, welche Stücke wann gesungen werden", sagt Becker. "Moon entscheidet aus ihrem Gefühl heraus, welches Lied zur Stimmung passt." Moon Suk ist ein bisschen aufgeregt, genauso wie bei einem Bühnenauftritt, sagt sie. "Ich will die Zuschauer begeistern und ihnen ein besonderes Erlebnis bieten."

Meistens klappt das ganz gut, trotz einiger Pannen. Bei dem allerersten Nachtspaziergang Anfang August fand gleich neben dem Tiergarten die Hanfparade am Brandenburger Tor statt. Die Sängerin lacht, wenn sie daran denkt. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Technomusik so laut war. Wir dachten, wir müssen die Veranstaltung absagen." Doch die Teilnehmer seien so voller Vorfreude auf den Abend gewesen, dass sie trotzdem gesungen habe, nur eben etwas lauter.

Auch an diesem Sonnabend läuft nicht alles glatt. Die kleine rote Laterne geht immer wieder aus. Und Wdith Piafs Klassiker "Non, je ne regrette rien" will der Sängerin heute ebenfalls nicht so recht über die Lippen gehen. Doch trotz der kleinen Pannen oder gerade deswegen klingt der anschließende Applaus umso euphorischer. "Bravo!", ruft auch Edith Uhlhorn, während ihr Mann Christian erklärt: "Als wir gelesen haben, dass eine Sängerin mit dem Namen Moon durch den abendlichen Tiergarten führt, da wussten wir: Das kann nur gut werden."

Als die Abendgesellschaft durch das Tor in den Rosengarten tritt, sind die Blumen kaum noch in der Dunkelheit auszumachen. Nur der süße Duft liegt in der Luft. Moon Suk platziert sich unter dem Gewölbe der imposanten Kolonnade, die das Herzstück des Gartens bildet. "O Sole Mio" schallt es von den Säulen wieder. Die Auswahl der Musik, passend zu dem antik anmutenden Schauplatz, erinnert an eine Szene aus einem römischen Theaterstück.

Edith Uhlhorn ist begeistert. Sie würde das Lied am liebsten gleich noch mal hören. Viel Zeit bleibt aber nicht mehr. Am Ufer des Tiergartengewässers in der Nähe der Luiseninsel endet der Spaziergang. Für Edith und Christian Uhlhorn ist der Tag aber noch nicht vorbei. Sie und die meisten anderen Teilnehmer fahren in die Wohnung der Veranstalter, um den Abend bei einem Glass Wein und den selbst gemachten koreanischen Spezialitäten ausklingen zu lassen.

Die Spaziergänge kosten 30 Euro, mit Nachtmahlzeit 50 Euro. Weitere Informationen unter: www.salonmoon.de/serenade.html

Alina Rapoport

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