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Unter Strom. Vor 100 Jahren wurde das Schaltwerk gegründet, 1928 zog es ins neue Hochhaus. Das Foto eines Prüffelds entstand 1929.

© Siemens

Berliner Industriegeschichte: Doppeljubiläum bei Siemens

100 Jahre Maßarbeit: Das Messgeräte- und das Schaltwerk in Siemensstadt haben Jubiläum.

Am 11. April 2016 schwang sich die Magnus eFusion zu ihrem ersten Testflug in die Lüfte, ein Zweisitzer mit Elektroantrieb, Joint Venture des ungarischen Flugzeugbauers Magnus Aircraft Corporation mit der Siemens AG, die den Motor lieferte. Der Himmel – das ist ein ungewöhnlicher neuer Geschäftsbereich für den Technologiekonzern, doch zugleich ein uralter: Im Ersten Weltkrieg hatten die Siemens-Schuckert-Werke Jagdflugzeuge und schwere Bomber mit bis zu 800 Kilo Bombenlast produziert, 1919 sogar erst Pläne für ein Passagierflugzeug entwickelt, die aber nicht mehr ausgeführt wurden.

An der Nonnendammallee wurden auch Flugzeuge gebaut

Auch diese aeronautische Seitenlinie der Firmengeschichte ist mit dem doppelten Geburtstag verflochten, den Siemens in diesem Monat feiert. Im Juli – genaue Tage des jeweiligen Produktionsstarts können nicht benannt werden – sind das Schaltwerk wie auch das Messgerätewerk in Siemensstadt 100 Jahre alt geworden. Wohlgemerkt, die Werke, nicht die Gebäude. Das alte Schaltwerk-Hochhaus an der Nordseite der Nonnendammallee beispielsweise, direkt links neben dem Hauptverwaltungsgebäude und dort noch immer ein Wahrzeichen im Stadtbild, erfüllt schon lange nicht mehr seinen ursprünglichen Zweck, heute wird dort ausgebildet. Das heutige Schaltwerk, das größte Werk für Schalttechnologie weltweit, ist in modernen eingeschossigen Produktionsbauten in der Nähe untergekommen, in deren Neubau samt weiteren Modernisierungen Siemens in den vergangenen Jahren rund 70 Millionen Euro investiert hat.

Zurück zu den Anfängen, zu den Flugzeugen: Sie mussten 1917 teilweise weichen, ihre alte Produktionsstätte – auf alten Fotos sieht man noch die für damalige Verhältnisse riesigen Flugzeugrümpfe der Bomber – nahm nun auch den zuvor in Charlottenburg ansässigen Schaltanlagen- und Schalttafelbau auf. Der Umzug gilt der Firma als Geburtsstunde des Schaltwerks. Doch der Raum reichte bald nicht mehr aus, trotz des kapitulationsbedingten Aus für die Flugzeugproduktion, und so entstand zwischen 1926 und 1928 nach einem Entwurf von Hans Hertlein das Hochhaus, übrigens weltweit das erste industriell genutzte, in dem technisch innovative Schaltgeräte zur Steuerung elektrischer Energieströme entwickelt und produziert wurden. Mit einem heimischen Lichtschalter haben die nur noch sehr wenig zu tun.

1944 wurde das Gebäude durch Bomben schwer beschädigt, stand aber immerhin noch. Schlimmer war die Demontage der Werkzeuge und Geräte ein Jahr später: Von 2000 Maschinen waren danach nur elf einsetzbar. Aber der Wiederaufbau gelang, sogar Kanzler Konrad Adenauer und der Regierende Bürgermeister Willy Brandt kamen 1952 und 1958 und schauten sich die auf Hochtouren laufende Produktionsstätte an. Heute breitet sich das Schaltwerk auf einer Fläche von 330 000 Quadratmetern aus, reicht die Fertigungspalette von Hoch- und Mittelspannungsschalter oder Vakuumschaltröhren bis zu Überspannungsableitern.

Auch die 100-jährige Geschichte des Messgerätewerks ist mit mehreren Gebäuden in Siemensstadt verbunden, es wurde wiederholt erweitert, im Krieg schwer beschädigt und wieder aufgebaut. Die Ursprünge liegen im alten Wernerwerk M, ebenfalls von Hans Hertlein entworfen – das ist das Backsteingebäude mit dem markanten Uhrenturm. Heute ist das Werk südlich der Nonnendammallee angesiedelt, schräg links vom Hauptverwaltungsgebäude aus gesehen. Dort werden Geräte entwickelt und produziert, die Anlagen zur Stromübertragung steuern, überwachen, schützen – und im Falle eines Fehlers auch mal ganz einfach abschalten.

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