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In Berliner Restaurants muss man nicht berlinern, um eine Currywurst zu bestellen.

© Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE/dpa

Berliner Gastronomie: Wenn Kellner nur noch englisch sprechen

Nichts gegen Sprachkenntnisse beim Servicepersonal. Doch wo bleibt da das Lokalkolorit? Eine Glosse zur neuen Gastro-Debatte.

Als in den 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr Gourmets ihre Berufung zu gehobener Küche erkannten, wuchs die Zahl der Edel-Italiener. Dort galt es als Ausdruck von Weltläufigkeit, wenn der Gast statt „Zwei Campari“ lieber „Due Campari“ zum Aperitif bestellte und am Ende eines aufregenden Mahles die Rechnung natürlich mit „Il conto per favore“ anforderte. Die Gastgeber waren in der Regel gerührt über so viel Anerkennung ihrer Kultur, blieben ihrerseits aber meist lieber beim Deutschen. Man will den strebenden Gast ja auch nicht bloßstellen. Je nach Sprach-Repertoire gab es ähnliche Szenen auch in französischen Restaurants zu beobachten.

Einerseits: das multikulturelle Manhatten

Vorboten der neuen Zeit waren zuerst in populären Szene-Restaurants wie „White Trash“ oder „The Bird“ zu beobachten, bevor sie sich weiter ausbreiteten. Dort sprachen die Kellner plötzlich konsequent Englisch. Klar, scheint das auf den ersten Blick sinnvoll zu sein bei einem Publikum, das besonders in den jugendlicheren Altersgruppen so bunt und international gemischt ist wie im neuen Berlin. Da bedient sich lieber gleich der Lingua Franca, wer es allen recht machen will. Aber ist das wirklich sinnvoll?

Nehmen wir Manhattan. Man hört dort ziemlich viel Deutsch auf der Straße, so ähnlich wie in Berlin Englisch. Aber wäre es nicht gruselig, wenn der Kellner im „Gotham Grill“ plötzlich auf Deutsch fragen würde: „Was darf ich Ihnen bringen?“.

Natürlich ist es immer sinnvoll, Speisekarten in verschiedenen Sprachen vorrätig zu haben. Neben Englisch kämen in einschlägigen Bezirken und Restaurants da sogar noch ein paar weitere Sprachen in Frage, Spanisch, Russisch, Mandarin zum Beispiel. Selbst wer gute Sprachkenntnisse besitzt, muss nicht unbedingt die Fachbegriffe verstehen können, die in der Speisekarten-Lyrik oft eine Rolle spielen, besonders in der gehobenen Küche. So hat man dann eine Grundlage, auf der es sich kommunizieren lässt.

Andererseits: das internationale Berlin

Wo aber grundsätzlich nur Englisch gesprochen wird, fällt plötzlich jegliches Lokalkolorit weg. Die Botschaft dahinter sagt: Ganz egal, wo Du isst, ist eh alles international. Wenn man sich woanders hingezogen fühlt, möchte man allerdings nicht nur die dortigen Speisen probieren, sondern auch die ganze Atmosphäre in sich aufnehmen. Essen besteht schließlich nicht nur aus Nahrungsaufnahme zwecks Sättigung. Auch unterhalb der Sterne-Gastronomie suchen die Kunden ein ganzheitliches kulturelles Genuss-Erlebnis. Auch dort wünscht man sich eine Inszenierung. Und zu der gehört nun mal die Landessprache.

Ungefähr zur selben Zeit, als die Edel-Italiener auftauchten, breitete sich in griechischen Lokalen die Mode aus, Servietten mit einem kleinen Sprachkurs zu bedrucken, damit der Gast die wichtigsten Vokabeln wie „Guten Abend“ „Danke“ oder „Auf Wiedersehen“ auch in der Sprache des Landes sagen konnte, aus dem die Speisezubereitungen seiner Wahl kamen. Das wirkte charmant, da wurden kleine sprachliche Brücken gebaut. Gäste einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen, ihnen gar das Gefühl zu geben, abgehängt und hinterwäldlerisch zu sein, ist nicht cool, sondern arrogant und gemein. Auch wer des Englischen nicht so mächtig ist, hat Appetit. Es ist sicher nützlich, wenn Servicekräfte in der Gastronomie auch Englisch können. Aber ein bisschen mehr Understatement beim Umgang mit dieser Zusatzqualifikation würde freundlich und authentisch wirken.

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