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Helfen bis zur Erschöpfung. Die Sanitäter der Feuerwehr sind überlastet.

© dpa

Berliner Feuerwehr: Rettungskräfte dürfen keine Überstunden mehr machen

Überstunden sind Alltag für Berlins Rettungskräfte. Der Preis: ein hoher Krankenstand. Nun zog der Feuerwehr-Personalrat die Notbremse.

Von Sandra Dassler

Herzinfarkt, drohender Erstickungstod, Verkehrsunfall mit lebensgefährlicher Verletzung – in solchen Situationen können Minuten oder gar Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Deshalb wird bei der Berliner Feuerwehr angestrebt, dass Sanitäter zumindest in der Innenstadt innerhalb von acht Minuten am Einsatzort sind.

Doch dieses Ziel wird schon jetzt fast nie erreicht. Und in Zukunft müssen Patienten möglicherweise noch länger warten, weil der Personalrat der Feuerwehr auf seiner Sitzung am 12. Juli beschlossen hat, eine Dienstvereinbarung zu Überstunden zu kündigen.

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte der stellvertretende Personalratsvorsitzende Lars Wieg dem Tagesspiegel: „Aber unsere Kollegen werden seit Jahren schamlos ausgenutzt. Sie machen immer mehr Überstunden, kommen aber nicht dazu, sie abzubummeln. Ein unglaublich hoher Krankenstand ist der Preis. Das kann auch nicht im Sinne unserer Patienten sein.“

Die zum Jahresende gekündigte Überstundenvereinbarung sei 2008 abgeschlossen worden, erläutert Wieg. Damals ging es um die Umsetzung einer zuvor von der Europäischen Union beschlossenen Richtlinie, wonach Rettungskräfte nur noch 48 Wochenstunden im Einsatz sein durften. „Wir hatten damals noch die 56-Stunden-Woche und es war klar, dass es dafür zu wenig Personal gab. Mit der Vereinbarung sollte der Politik ermöglicht werden, das Personal entsprechend aufzustocken.“

Überstunden können nicht abgebaut werden

Doch das sei nur bedingt geschehen, sagt Wieg. „Die Verantwortlichen haben sich auf der Bereitschaft der Kollegen ausgeruht, mehr als 48 Stunden zu arbeiten.“ Auch für die Behördenleitung sei es „gefühlt selbstverständlich“, dass auch künftig fehlendes Personal durch Überstunden ausgeglichen werde. Statt diese dann abbummeln zu können, würden Kollegen genötigt, sich die Mehrarbeit auszahlen zu lassen, damit genügend Rettungsfahrzeuge einsatzbereit seien.

Der Preis dafür sei hoch, sagt Wieg: „Unsere Kollegen sind durchschnittlich 46 Tage im Jahr krank, das ist sehr viel. Aber kein Wunder, wenn man weiß, dass 2016 allein 74 744 bezahlte Überstunden angefallen sind. Die Dunkelziffer liegt weit über 300.000, unsere Kollegen wollen keine Überstunden mehr leisten. Manche haben mehr als 300 Plusstunden, wann sollen sie die je abbummeln?“

Neue Stellen bei der Feuerwehr

Zwar sollen jetzt – darauf verweist ein Sprecher der Innenverwaltung – 348 neue Stellen bei der Feuerwehr geschaffen werden. Doch die Bewerber müssen erst ausgebildet werden. Außerdem werde es wohl nicht genügend Bewerbungen geben, befürchtet Lars Wieg. „Berlin zahlt sehr schlecht. So verdient ein Notfallsanitäter etwa 700 Euro weniger als sein Kollege in Brandenburg, beim Rettungsassistenten sind es immer noch 150 Euro weniger.“

Es gab schließlich früher einen Sparzwang in Berlin, sagt eine Sprecherin der Finanzverwaltung zur Erklärung. Allerdings habe der Senat gerade eine Erhöhung der Beamtenbesoldung beschlossen. Auch Angestellte würden 2017/18 wieder auf 100 Prozent des Bundesdurchschnitts kommen. Der Personalrat der Feuerwehr will sich darauf nicht verlassen, sagt Lars Wieg: „Wir haben bis zum Jahresende Zeit, über eine neue Dienstvereinbarung zu verhandeln.“

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