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Bärbel Stolz ist die Prenzlschwäbin, die mit ihren Youtube-Clips über die Schwaben im Kiez bekannt wurde.

© Agnieszka Budek

Berlin-Prenzlauer Berg: Mit der Prenzlschwäbin unterwegs um den Helmholtzplatz

Bärbel Stolz kommt aus Schwaben und lebt in Prenzlauer Berg. Auf Youtube wurde sie als Prenzlschwäbin bekannt. Ein Kiezspaziergang.

Der Kaffee wird frisch gemahlen, dazu ein Buttercroissant und ein Ei mit Meersalz. „Isch des auch bio?“, fragt eine junge Frau in einer gelben Regenjacke. Der bärtige Kellner lächelt, zeigt seine lückenlosen Zahnreihen und bejaht: „Selbstverständlich, gnädige Frau.“ Bärbel Stolz gehört zu den Menschen, die an der Kasse beim Biomarkt nachfragen, ob das auch wirklich bio sei. Also nicht Bärbel Stolz selber, pardon: ihre Comedy-Figur, die „Prenzlschwäbin“.

Das „Pakolat“ ist ihr Lieblingscafé hier im heimischen Helmholtzkiez, und der Kellner verstehe „den Witz mit dem ,bio‘“ schon. Doch Stolz macht sich auch etwas Sorgen: „Ich habe das Gefühl, ich bin mein eigenes Klischee geworden.“ Zum Glück schwäbelt sie nicht, also wirklich gar nicht. Die Prenzlschwäbin hat sie vor einigen Jahren erschaffen. Clips auf Youtube. Jetzt auch das dazugehörige Buch und ein Hörbuch.

Kurzzeitig war sie nach Kreuzberg gezogen

Mit der stoischen Ruhe eines tibetanischen Mönches beginnt sie, ihr gekochtes Ei zu pellen. Es ist 13 Uhr. „Früher im Schwabenland“, erzählt sie beim Pellen, „da war Frühstücken für mich immer eine morgendliche Qual, die, noch halbblind vom Schlaf, erledigt werden musste.“ Als sie vor zwanzig Jahren nach Berlin kam, habe sie erst erfahren, dass Frühstücken etwas Schönes sein kann, etwas, das auch Spaß machen kann.

Doch irgendwann hat ein jedes Frühstück ein Ende. Stolz springt auf, läuft ein Stück und deutet auf ein Haus. Dort wohnt sie jetzt. Erst seit Weihnachten wieder. Sie war kurzzeitig nach Kreuzberg gezogen. Vielleicht auch, um mal nicht die Prenzlschwäbin zu sein. Doch sie ist zurück. „Und das ist gut so“, sagt sie. Sie hätte nicht gedacht, am hoch gentrifizierten Helmholtzplatz noch eine Wohnung zu finden. Doch sie habe da jemanden gekannt. Sie ist eben die Prenzlschwäbin.

Dass sie mit ihrem Schwabenbashing sowohl dort als auch in Berlin noch nicht die Augen ausgekratzt bekommen hat, zeigt vor allem eins: Der Schwabe scheint Humor zu haben. Es ist eine alte Regel: Mach dich niemals über eine bestimmte Gruppe von Menschen lustig. Aber wenn du es doch machst, dann mach es so gut, dass die Gruppe nicht anders kann als zu lachen.

Im Lieblingsladen gibt es immer frisches Bio-Obst

In Stolz’ Lieblingsladen im Kiez, dem „Goldhahn & Sampson“, gibt es immer frisches Bio-Obst, eine üppige Auswahl an Limonaden und Stolz’ Buch „Isch des bio?“. Ein erweiterter Tante-Emma-Laden. Vor zwanzig Jahren muss dort eine Videothek gewesen sein, erinnert sich Stolz. Von drinnen winkt jemand, sie grüßt zurück. Das Grüßen von Leuten, die sie eigentlich nur vom Sehen kenne, habe sie mitgenommen aus Schwaben.

Aber sie habe auch einiges dort gelassen. „Ich wollte auf keinen Fall als Schwäbin identifiziert werden“, erinnert sie sich. „Ich habe fleißig Hochdeutsch gelernt und erzählt, ich käme aus Kiel.“ Sie wollte eben das sein, was sie auf dem schwäbischen Land nicht sein konnte: Weltbürgerin. Der Dialekt war für sie der Inbegriff der Provinzialität, des Spießigen, der Heimattümelei. Doch sie habe mit der Zeit gelernt: „Provinzielles Denken gibt es in Schwaben und in Berlin gleichermaßen.“ Nur das Essen sei in Schwaben besser. Allerdings gebe es dort auch keine Berliner Currywurst wie bei „Konnopke’s“.

Am Spielplatz nimmt Bärbel Stolz viele ihrer Clips auf

Am Helmholtzplatz hängen ein paar düstere Gestalten um die Tischtennisplatten herum. „Die waren immer schon dort“, sagt Stolz. Einer von ihnen, das ganze Gesicht tätowiert, schreit irgendetwas. Die Worte „Hitler“ und „Deutschland“ sind herauszuhören.

Das wirkt gerade hier sehr schräg, in der heilen Welt rund um den Platz mit dem erneuerten Spielplatz, der Szenerie, in der Bärbel Stolz viele ihrer Prenzlschwäbin-Clips aufnimmt. Darin erzählt sie von ihren Kindern „Bruno-Hugo-Luis“ und „Wikipedia“, beide hochtalentiert natürlich. Nach dem Klarinettenunterricht geht’s ab zur Mandarinlehrerin, dann gibt es Mandel-Matcha-Eis.

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Stolz ist Schauspielerin und spielt nicht nur die Prenzlschwäbin. In einer von Warner Brothers TV produzierten Serie über „Hipster“ wird sie „Burble“ heißen – also so, wie Hipster ihren Namen „Bärbel“ aussprechen würden. Ihr Akzent in der Show: kein Schwäbisch mehr, sondern isländisch. Nicht, weil „Burble“ aus Island stammt, sondern weil sie diesen Dialekt so exotisch findet. Die Show spielt ebenfalls in Berlin, wird aber wohl auch in den USA und England laufen.

Ein Plastikbecher für den "Smoothie to go"

Wegen ihrer Prenzlschwäbin-Clips haben sich auch schon Leute aus den USA, etwa aus Detroit, bei ihr gemeldet: Sie könnten das Hipster-Phänomen gut nachvollziehen. „Was ein Hipster ist: Bart, zu enge Hose, Brille. Er wartet lange für einen wirklich guten Kaffee und zahlt dafür gerne acht Euro – beschwert sich aber andauernd, dass die Mieten zu hoch sein und alles gentrifiziert werde.“ Stolz zückt jetzt einen grellbunten Plastikbecher, um einen „Smoothie to go“ im „Liquid Garden“ in der Stargarder Straße „zu zapfen“.

Die Prenzlschwäbin würde es genauso machen. Süßkartoffel, Spinat, Koriander und natürlich Chia-Samen würde sie schlürfen und es „Prenzlberger Wake-up“ taufen. So einen mitgebrachten Becher, den könnten sich die Hipster in Detroit vielleicht noch abschauen aus dem Prenzlauer Berg. Wird doch der Smoothie in den USA noch immer in Wegwerf-Pappbecher gefüllt. Man ist eben nicht überall so weit der Zeit voraus wie im Reich der Prenzlschwäbin.

In unserer Reihe "Eine Runde Berlin - Streifzüge durch die Kieze" bereits erschienen: Mit Autorin Jana Hensel in Prenzlauer Berg und am Fernsehturm. Mit Sängerin Inga Humpe am Spree-Ufer in Mitte. Mit Weltenbummlerin Heidi Hetzer im Opern-Viertel. Mit DJ Alfred Heinrichs durch Lichtenberg. Mit Lüül durch Eichkamp in Westend. Mit dem Hauptmann-Darsteller Jürgen Hilbrecht durch Köpenick. Mit Sängerin Elif durch Moabit. Mit Autorin Emilia Smechowski durch Kreuzberg. Mit dem Botschafter des Vatikans an der Hasenheide entlang. Mit dem SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck durch das südliche Neukölln. Mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick zwischen Hansaviertel und Moabit.

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