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Der Stolperstein für den Künstler Stanislaw Kubicki wird neu verlegt.

© Raphael Krämer

Update

Berlin-Neukölln: "Wir verlegen jeden Einzelnen neu"

16 Stolpersteine zum Gedenken an Opfer der Nazis wurden im November in Berlin-Neukölln gestohlen. Dank vieler Spenden wurden heute die Ersten neu verlegt.

Ausgerechnet die Beerdigung eines im Konzentrationslager gestorbenen Freundes war Stanislaw Kubicki 1941 zum Verhängnis geworden. Er nahm daran teil, offenbar überwachte die Gestapo die Trauerfeier und nahm ihn fest. Einige Monate später starb Kubicki in der Haft.

Gelebt hatte der expressionistische Maler in der Britzer Hufeisensiedlung, Onkel-Bräsig-Straße 46. 1934 war er mit seiner Frau Margarete Schuster und zwei Kindern nach Polen geflohen und hatte sich während der deutschen Besatzung der polnischen Widerstandsbewegung angeschlossen. Bis vor Kurzem erinnerte ein Stolperstein in der Straße an den Toten. Er gehörte zu den 16 Stolpersteinen, die Anfang November in Neukölln herausgerissen und gestohlen worden waren.

In dieser Woche nun werden diese Steine neu verlegt. In der Hufeisensiedlung waren es insgesamt sieben gewesen, die an Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime erinnerten. Der Stein für Kubicki ist nun der erste, der an diesem Montag, 13 Uhr, neu verlegt wurde. Sein Sohn, Stanislaw Karol Kubicki, nahm an der Zeremonie Teil.

Stanislaw Karol Kubicki hielt zur feierlichen Neuverlegung des Stolpersteinen für seinen Vater eine Rede.
Stanislaw Karol Kubicki hielt zur feierlichen Neuverlegung des Stolpersteinen für seinen Vater eine Rede.

© Raphael Krämer

Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), mehrere Bezirkspolitiker sowie zahlreiche Spender und Bewohner waren erschienen, um an die Verfolgten zu erinnern und ihre Unterstützung zum Stolperstein-Projekt zu bekunden. "Wir verlegen jeden Einzelnen neu", schrieb Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf Twitter.

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Auf die Meldung von der Schändung der Gedenksteine war eine riesige Spendenbereitschaft gefolgt, über die Grenzen des Bezirks und der Stadt hinweg: Innerhalb weniger Wochen sind so über 10 000 Euro für neue Gedenksteine zusammengekommen, die vor den letzten Wohnorten von Menschen, die unter dem Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, an diese erinnern.

Die neuen Steine wurden diesmal zusätzlich einbetoniert.
Die neuen Steine wurden diesmal zusätzlich einbetoniert.

© Raphael Krämer

Der erste Stolperstein war illegal

Die Stolpersteine sind das persönliche Kunstprojekt Gunter Demnigs, der 1996 den ersten Berliner Stolperstein in Kreuzberg verlegte, damals noch illegal. Mittlerweile wurden allein in Berlin über 7000 Steine verlegt, europaweit 63 000. Besonders geht es dem Künstler darum, ein Projekt für die kollektive Erinnerung zu schaffen.

„Die wahren Träger sind die Initiativen, die in den Bezirken arbeiten“, sagt Helmut Lölhöffel, Koordinator der Stolpersteininitiative in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo allein 3000 Steine verlegt wurden. Die Ehrenamtlichen in den Initiativen sammeln Spenden für die 120 Euro, die pro Stein aufgebracht werden müssen, recherchieren die Biografien der Verfolgten, kontaktieren Angehörige und organisieren die Verlegung.

Wie die Bezirksämter den Initiativen helfen, unterscheidet sich von Bezirk zu Bezirk. In vielen Bezirken beschäftigt sich das Bezirksmuseum mit dem Kontakt zwischen Demnig und den Initiativen oder unterstützt diese administrativ.

In Schöneberg hat zwei Jahre lang eine bezirklich angestellte Koordinatorin im Bezirksmuseum die Verlegung der Stolpersteine organisiert, Biografien recherchiert und Angehörige kontaktiert. Nachdem die Stelle ausgelaufen war und neu ausgeschrieben wurde, ist sie seit einigen Monaten unbesetzt. Die Ehrenamtlichen im Bezirk sind darüber empört, denn die Wartelisten werden immer länger.

Während in Charlottenburg-Wilmersdorf die Initiative durch die Instandhaltung der Webseite und eine pauschale Erlaubnis unterstützt wird, die Steine im „öffentlichen Straßenland“ auf den Bürgersteigen zu verlegen, gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg seit November einen festen Posten von 5000 Euro im Haushalt für die Finanzierung der Steine.

Unterstützung durch die Bezirke? Nicht immer erwünscht

Doch die übergroße Unterstützung durch die Bezirke ist nicht immer erwünscht. Die Ehrenamtlichen der Stolpersteininitiative AltPankow beispielsweise, die ebenfalls administrativ unterstützt werden, „halten gar nichts“ von Anträgen der CDU in einigen Bezirken, die fordern, dass die Bezirke Kosten für bestimmte Stolpersteine übernehmen. Genügend Spenden kämen bei ihnen immer zusammen.

Auch die berlinweite Koordinierungsstelle Stolpersteine betont die Bedeutung starker ehrenamtlicher Strukturen für das Projekt. Die Aufgabe der Koordinierungsstelle sei es, die ehrenamtlichen Strukturen zu stärken, sagt Sprecherin Silvija Kavcic. Da mit den Stolpersteinen vielfältige Aufgaben verbunden seien, sei es sinnvoll, dass das Projekt „auf mehreren Schultern lastet“.

Auch viele Kinder nahmen an der Zeremonie teil.
Auch viele Kinder nahmen an der Zeremonie teil.

© Raphael Krämer

Die kollektive Erinnerung kann nun auch durch das große Spendenaufkommen in Neukölln weitergeführt werden: Mit der unerwartet hohen Spendensumme können nicht nur zahlreiche neue Steine verlegt werden, sondern besonders das Engagement der Menschen aus dem Bezirk soll gestärkt werden.

„Wir wollen mehr Schulprojekte initiieren“, sagt Udo Gössmann, Leiter des Museums Neukölln. Indem sie Pate für einen Stolperstein werden, setzen sich die Schüler mit einem konkreten Schicksal auseinander, wie dem Stanislaw Kubickis. Die kollektive Erinnerung wird so an die neue Generation weitergegeben.

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