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Einige Unterstützer harrten auch am Donnerstag noch vor der Schule aus.

© dpa

Berlin: Nach Einigung im Flüchtlingsstreit: Wie es mit der Gerhart-Hauptmann-Schule weitergeht

Die Anwohner der Gerhart-Hauptmann-Schule sind erleichtert, die Flüchtlinge auch. Sie dürfen in der Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg bleiben, die jetzt renoviert wird. Doch der politische Streit ist noch nicht zu Ende.

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20 Unterstützer haben es sich am Donnerstagmorgen vor der Gerhart-Hauptmann-Schule mit Schlafsäcken bequem gemacht, aus Lautsprechern dröhnt Musik. Ein paar Protestierer sind hiergeblieben, obwohl Mittwochnacht die Absperrungen rund um das Gelände abgebaut wurden und der Konflikt gelöst ist – vorerst. Anwohner und Geschäftstreibende sind erleichtert, dass die Kiezblockade aufgehoben ist. „Das Wichtigste ist, dass niemand gesprungen ist“, sagt eine Anwohnerin. Doch es bleibt die Frage, ob die Gewerbetreibenden für ihre Umsatzeinbußen entschädigt werden – und die Sorge, dass der Konflikt wieder eskaliert. Die Flüchtlinge sind am Vormittag an den Zaun gekommen, reden mit Freunden, einige helfen bei den ersten Aufräumarbeiten. Die Unterstützerin Harbet Ogbamichael erzählt, dass nicht alle Flüchtlinge einverstanden waren mit der Einigung. Weitere Gespräche seien derzeit aber nicht geplant.

Polizei-Ultimatum erzeugte Druck

Der zuständige Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) hatte die Einigung ganz allein zustande gebracht, wie er am Donnerstag sagte. Allerdings nicht aus eigenem Antrieb: Das Ultimatum von Polizeichef Klaus Kandt war es, das bei Panhoff genug Druck erzeugte. „Ich habe mir ausgemalt, was passiert, wenn ich nicht handele“, sagte Panhoff. Er habe komplett auf eigene Verantwortung gehandelt.
So ziehen nun die Bewohner in den Südflügel des Gebäudes, bekommen Hausausweise und einen eigenen Zugang, der auch mithilfe technischer Vorrichtungen geregelt werden soll – auch um zu verhindern, dass immer wieder neue Menschen einziehen. Ob dies jedoch effektiv verhindert werden könne, wusste Panhoff nicht zu sagen.
Die Hausausweise sollten noch am Nachmittag ausgestellt werden, schon am Morgen wurde begonnen zu entrümpeln, am Freitag beginnt der Einbau der Duschen. Mittelfristig soll ein internationales Flüchtlingszentrum entstehen. Strafrechtliche Verfolgung hat keiner zu befürchten, soweit der Bezirk dies beeinflussen kann.

Der Bezirk will sich für die Flüchtlinge einsetzen

Die Forderung der Flüchtlinge nach einem Bleiberecht konnte Panhoff freilich auch nicht erfüllen – dies fällt in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde oder des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, je nach Status des Antragstellers. Es war aber wohl sehr schwierig, den Flüchtlingen begreiflich zu machen, wie die Verfahren im deutschen Recht geregelt sind. Die meisten kennen nur zentralistisch organisierte Staaten. Der Bezirk versprach aber, sich dafür einzusetzen, dass Berlin die ausländerrechtlichen Verfahren der Flüchtlinge an sich zieht, soweit die Anträge in anderen Bundesländern gestellt wurden.

De facto wurde der Zehn-Punkte-Papier der Flüchtlinge akzeptiert

Wie viele Menschen nun genau in der Schule wohnen, wusste Panhoff nicht, und auch nicht, in welchem Teil des Verfahrens sie sich befinden, wenn überhaupt in einem. Die Verhandlungen seien sehr langwierig und kompliziert gewesen, berichtete der Stadtrat. Es musste hin und her übersetzt werden, und die einzelnen Flüchtlingsgruppen hätten insgesamt 13 Vertreter entsandt, ganz schön viele für 40 Menschen. Er bezeichnete die Einigung als „Kompromiss“, es sei ja klar, dass dann beide Seiten etwas geben müssten. De facto wurde aber ein Zehn-Punkte-Papier der Flüchtlinge mit ihren Forderungen so akzeptiert. Die Polizei bewacht das Gebäude weiter, aber ohne Absperrungen, und lässt nur Leute passieren, die sich ausweisen können.

Innensenator Frank Henkel will „keine Sonderbehandlung“

Auch das Parlament befasste sich in der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause noch mal mit dem Thema. Innensenator Frank Henkel (CDU) war wegen einer Innenministerkonferenz entschuldigt, hatte aber bereits am Mittwochabend gesagt , es werde für die verbliebenen Flüchtlinge „keine Sonderbehandlung“ geben. Im Parlament sprach sein Staatssekretär Bernd Krömer (CDU), wollte die Einigung aber nicht bewerten – ihm lägen noch keine Einzelheiten vor. Selbst beim Koalitionspartner SPD verursachte das Erstaunen. Krömer dankte außerdem der Polizei und bestätigte, Stadtrat Panhoff habe das Räumungsersuchen am Donnerstagmorgen formell zurückgenommen.

Deutschkurse für die Flüchtlinge

Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) betonte, der Senat halte die Vereinbarungen ein: Für die Flüchtlinge des ehemaligen Camps am Oranienplatz würden Deutschkurse organisiert, die Menschen würden während der Einzelfallprüfung „nicht allein gelassen“. Diakonie und Caritas hätten eigens Berater abgestellt. Die Piraten wollten wissen, ob sogenannte Beweisdokumentationswagen der Polizei Anwohner der Schule abgehört hätten. Krömer sagte, er könne sich nicht vorstellen, warum die Polizei das hätte tun sollen. Unter den Flüchtlingen sind dem Vernehmen nach auch solche, die auf dem Bau gearbeitet haben. Ob sie bei den Arbeiten eingebunden werden, konnte niemand sagen.

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