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Am Alexanderplatz geht die Kriminalität zurück.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Alexanderplatz: Weniger gefährlich als sein Ruf

Lange Zeit galt der Berliner Alexanderplatz als Zentrum der Kriminalität. Das bessert sich langsam. Doch es gibt neue Probleme, zum Beispiel die fehlenden Kiezstrukturen.

Die Kriminalität am Alexanderplatz geht weiter zurück. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres registrierte die Polizei dort 212 Gewalttaten. Hochgerechnet auf das ganze Jahr wären es am Jahresende gut 500 Taten. Im vergangenen Jahr gab es 618 Taten, 2013 waren es 612. Diese Zahlen nannte die Innenverwaltung jetzt auf eine Anfrage der grünen Abgeordneten Silke Gebel und Benedikt Lux.

Die Innenverwaltung betont, dass nur ein Teil der Taten in der Öffentlichkeit stattfand. Bei Körperverletzungen waren es in diesem Jahr zum Beispiel nur 21 Taten auf „Straßen, Plätzen, Wegen“, wie es in der Statistik heißt. Solche Taten in der Öffentlichkeit beeinflussen das Sicherheitsempfinden der Menschen viel stärker. Die Zahl sonstiger Körperverletzungen am Alex ist mit 131 viel höher, sie geschahen in Wohnungen, Kneipen oder Kinos. Im vergangenen Jahr gab es 67 „öffentliche“ Körperverletzungen und 386 sonstige.

Viele Gewalttaten werden unter Einfluss von Alkohol verübt. Für die Grünfläche hinterm Fernsehturm immerhin, also das Gebiet zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche, gilt ein Verbot, Alkohol zu trinken. Das wurde 2008 vom Bezirksamt Mitte erlassen, um die Trinkgelage von Jugendgruppen und Obdachlosen, die sich dort regelmäßig trafen, beenden zu können. Das Verbot werde von der Polizei auch umgesetzt, sagen Beobachter, aber hilft es wirklich, Gewalttaten zu verhindern?

Sozialer Umgang am Alexanderplatz verändert sich

Carsten Spallek, CDU-Stadtrat aus Mitte, und Tino Kretschmann, Sozialarbeiter und Leiter des „Platzmanagements für junge Leute“, halten nicht viel von diesem Verbot. Allerdings basiert ihre Skepsis auf gegensätzlichen Sichtweisen. Spallek sagt, das Verbot könne erst dann Wirkung entfalten, wenn es überall auf öffentlichem Straßenland gelte und durchgesetzt werde. Aber eine solche „ganzheitliche Initiative“ sei politisch wegen der „Vorbehalte“ in den linken Parteien von SPD bis Piraten politisch kaum durchsetzbar.

Kretschmann argumentiert anders: Das Verbot richte sich vor allem gegen Jugendliche oder junge Erwachsene mit wenig Geld, während in den Clubs am Alexanderplatz oder auf den regelmäßig stattfindenden Märkten der Alkohol weiterhin fließen dürfe, weil er für Umsatz und Steuereinnahmen sorgt. Die Gewalttaten im Umfeld des Alexanderplatzes hätten mit Jugendgruppen, die sich regelmäßig am Alexanderplatz treffen, ohnehin nichts zu tun.

Kretschmann beobachtet seit Jahren, wie sich die Szenerie und der soziale Umgang am Alexanderplatz verändern. Im Auftrag des Moabiter Ratschlags bietet er Jugendlichen am Fernsehturm an, Volleyball zu spielen oder bei einem Zirkusworkshop mitzumachen. Solche Angebote sollen das Areal beleben und den sozialen Zusammenhalt zwischen Nachbarn und Nutzern des Platzes fördern. Dieser Zusammenhalt sei in den vergangenen Jahren verloren gegangen, auch durch die Kommerzialisierung des eigentlichen Alexanderplatzes mit Ketten wie Saturn oder Primark.

Es gibt keine Kiezstrukturen

Punks, Straßenkinder und Vertreter anderer Subkulturen, die sich früher regelmäßig am Brunnen trafen, fühlten sich hier nicht mehr wohl. Das wertet Kretschmann als schleichende „Verdrängung“. Weil die Gruppen den Platz meiden, gebe es mehr Anonymität und weniger soziale Kontrolle auf dem Platz.

Jugendliche träfen sich heute eher zufällig und unverbindlich am Alex, um zu shoppen. „Das finde ich hochproblematisch.“ Für die 4000 Menschen, die in der Umgebung von Alexanderplatz und Rathausforum wohnen, gebe es keine Kiezstrukturen wie ein Café oder ein Nachbarschaftshaus. Damit fehle das „soziale Leben“.

In dem Dialogprozess zur Neugestaltung der Historischen Mitte würden solche Fragen kaum diskutiert, findet Kretschmann. „Junge Leute beteiligen sich kaum an dem Dialog. Da muss nachgesteuert werden.“ Um den Platz aus der Anonymität zu holen und damit für Anwohner und Nutzer auch sicherer zu machen, sollte es mehr Angebote geben, aktiv zu werden und sich wieder regelmäßig dort zu treffen, etwa eine Ausleihstation für Spiele oder eine feste Bühne für Straßenkünstler.

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