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Spielplatz für Große. Die meisten wollen das Baumhaus für die Kinder, sagt Emu Stahlmann. Doch dann nutzen sie es selbst.

© Georg Moritz

Baumhäuser in Berlin: Warum in Köpenick ein Luftschloss aus Holz entsteht

Baumhäuser sollen aussehen, als hätte der Baum selbst sie errichtet. Das ist Emu Stahlmanns Anspruch. Er baut Luftschlösser – für Privatleute, Hotels und Geschäfte.

Zwei Mädchen rollen auf Fahrrädern heran. Die Blicke gehen nach oben und die beiden schauen mit offenem Mund Emu Stahlmann bei der Arbeit zu. Die spielt sich mehrere Meter über dem Boden ab. Gerade montiert der 41-jährige gebürtige Berliner ein Geländer aus Seilen an der Treppe, die sich um einen dicken Baumstamm windet. In der mehr als 300 Jahre alten, rund 30 Meter hohen Eiche entsteht ein Baumhaus.

Stahlmann baut mit seiner Firma „Luftschlösser“ Kindheitsträume zwischen Astgabeln – für private Auftraggeber, für Hotels ebenso wie für ein Jugendferienlager und die Bundesgartenschau in Potsdam. Beim aktuellen Projekt in Köpenick führen die Stufen ins Traumschloss über eine Zwischenplattform mit Geländern aus geschälten Ästen auf eine etwa zwölf Quadratmeter große Ebene. Auf der hinteren Hälfte steht das Haus, die Fenster kunstvoll geschwungen, auch das Dach in ungewöhnlicher Form, wie gefaltet. Wo es geht, möchte Stahlmann rund konstruieren statt eckig. Die genaue Fläche des Hauses sei schwer zu berechnen, sagt er und lacht. „So ohne rechte Winkel.“

Flexibilität, Stärke, Biegsamkeit

Der Anspruch an seine Luftschlösser im Grünen lautet: „Sie sollen aussehen als hätte der Baum sie selbst gebaut.“ Als Baumpfleger kennt Emu Stahlmann das Wesen der Bäume genau. Flexibilität, Stärke, Biegsamkeit – für ihn besitzt jeder Baum einen eigenen Charakter, den er zunächst kennenlernt, bevor es an die Planung geht. Schon als Kind habe er es geliebt, in den Ästen zu klettern. „Da oben ist man wie von der Realität losgelöst, weg vom Dauer-Funktionsmodus.“

So ist auch jedes Schloss, das er dort errichtet, einzigartig. Mal gibt es eine Plattform, mal mehrere Etagen. Je nach Baum bieten sich unterschiedlichste Befestigungen an: gestützt, geklemmt, gehängt, geschraubt, sowie Kombinationen daraus. Es gibt Treppen, Strickleitern, Hängebrücken; einmal entschied sich der Auftraggeber für einen elektrischen Fahrstuhl. Am liebsten hat Stahlmann die besonderen Herausforderungen, die der Baum ihm stellt. Etwa wenn ein Ast durch das Haus ragt, der genügend Spielraum braucht, damit der Baum sich bewegen kann ohne dass es hereinregnet.

Baumhaus in Wendenschloß

„Wendenschlösschen“ haben Emu Stahlmann und sein Team ihr Köpenicker Baumhaus genannt. Es entsteht in der Ortslage Wendenschloß auf einem noch unbebauten Grundstück, für die vier bis sieben Jahre alten Kinder der Familie, die dort künftig wohnt. Die Auftraggeber leben bereits in der Nachbarschaft und werden ständig auf das Baumschlösschen angesprochen, das hier innerhalb von zwei Wochen entsteht.

Noch liegt Werkzeug und Baumaterial herum, wo später Kinder spielen und Erwachsene dem Alltag entfliehen werden. Auf dem Dach legen zwei von Stahlmanns Mitarbeitern eine Pause ein. Abends haben sich die Auftraggeber angekündigt. Das Verhältnis sei anders als sonst auf dem Bau, sagt Stahlmann. Auf seinen Baustellen ist es gewissermaßen Ritual, dass die Auftraggeber mit dem Team schon mal ein bisschen Freiheit schnuppern wollen. „Die kommen dann mit Pizza, Cola und Schnaps und setzen sich zu uns in den Baum“, sagt Stahlmann. Die Leute in seinem Team sind Freigeister wie er, der studierte Psychologe, der nach dem Diplom in einen umgebauten Feuerwehrwagen auf einen Wagenplatz in Kreuzberg zog und beschloss, sein Geld mit den Händen zu verdienen.

Vor sieben Jahren hat Stahlmann für die Familie seines Bruders sein erstes Baumhaus gebaut. Heute wird es als Gästezimmer genutzt, inklusive Isolierung, Ofen, Wasserkanister und Licht. Kurz darauf entstand das zweite, als Stahlmanns ältester Sohn, mittlerweile 17 Jahre alt, zu groß wurde, um mit in der Feuerwehr zu wohnen. Sein Vater hängte ihm ein blaues, kugelförmiges Baumhaus zwischen die Bäume des Wagenplatzes. Mit seiner Familie wohnt Stahlmann inzwischen in Neukölln – natürlich hoch oben in einem Dachgeschoss.

Sich dem Lebewesen Baum ausliefern

Drei bis vier Baumhäuser baut er im Jahr, für die die Kunden in der Regel ab 10.000 Euro zahlen. Emu Stahlmann glaubt, dass der Reiz auch darin liege, sich dem Lebewesen Baum auszuliefern und zu vertrauen. „Es gibt kaum noch reale Gefahren in unseren Leben. Die sind ja voller TÜV-Abnahmen und Lebensversicherungen“, sagt Stahlmann. Er blickt über die Köpenicker Nachbarschaft. Selten fühle er sich so lebendig wie bei seiner Arbeit zwischen den Ästen.

Als ersten Schritt versuche er daher immer, die Auftraggeber in den Baum zu locken. „Meistens ist das Baumhaus ja offiziell für die Kinder“, sagt Stahlmann. Oft finde er beim Gespräch heraus, dass die Auftraggeber das Baumhaus eigentlich für sich selbst haben wollen. Ein Vater aus Hohen Neuendorf etwa ließ ein Baumhaus für seine Kinder bauen – in das er dann einen W-Lan-Verstärker und eine Heizung legte. „Der hat sich da oben sein Büro eingerichtet“, sagt Stahlmann.

Für einen Psychoanalytiker bei Düsseldorf baute er ein Baumhaus, in dem der Auftraggeber inzwischen seine Therapiesitzungen abhält. „Er erzählt, dass seine Klienten im Baum richtig anfangen zu sprudeln, wenn sie da hoch klettern und über das Tal blicken.“ Auch die Tangogruppe des Analytikers treffe sich auf der 18 Quadratmeter großen Plattform im Baum. In einem Schlosspark in Niedersachsen errichtete Stahlmann für einen Grafen ein „gigantisch großes“ Baumhaus, wie er sagt, auf mehreren Etagen in einer Solitärbuche.

Jedes seiner Baumhäuser sei wie ein Baby, sagt Stahlmann. Wenn der Bau abgeschlossen ist, kommt er in der Regel einmal im Jahr zur Kontrolle. Ansonsten weiß er die Träume, die er hoch über dem Boden verwirklicht, ja in guten Händen – sowohl bei den Auftraggebern als auch beim Baum.

Weitere Infos unter: www.luftschloesser.eu.

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