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Berlin: Bambule auf Rädern

Sie rasen auf Rollschuhen und rempeln herum Vier Berlinerinnen fahren zur WM im Roller Derby.

Dass es ihr Bild einmal zum Sammeln und Tauschen geben würde, hätte Franziska Fuchs auch nicht gedacht. Sie hockt auf dem Hallenboden. Vor ihr liegt ein Stapel mit Klebebildchen, auf denen ihr eine Frau mit langem schwarzen Pony ein geheimnisvolles Lächeln schenkt. Es ist sie selbst. Auf dem Foto wirken ihre Züge eher weich, doch an diesem Nachmittag lächelt sie kaum. Die Haare der 33-Jährigen sind zu einem Pferdeschwanz gebunden, damit sie nicht im Gesicht hängen.

Seit zweieinhalb Jahren spielt Fuchs bei den „Berlin Bombshells Roller Derby“, eine Vollkontaktsportart auf Rollschuhen. Blaue Flecken? Knochenbrüche? Egal. Wenn Franziska Fuchs als ihr Alter Ego Heavy Rotation ihre Gegnerinnen auf das Parkett wirft, kennt sie kein Erbarmen. „Ich bin eine der besten Spielerinnen“, sagt die Apothekerin aus Friedrichshain. Mit drei anderen Berlinerinnen wird sie nun zur Weltmeisterschaft nach Toronto reisen, um vom 1. bis 4. Dezember für die deutsche Nationalmannschaft anzutreten.

Roller Derby ist als Sportart noch jung und außerdem nur für Frauen mit ordentlich Mumm in den Knochen. Die Regeln sind schnell erklärt: Zunächst starten je Team vier Spielerinnen und bilden das so genannte Pack. Hinter ihnen startet jeweils eine Jammerin, die sich durch das Pack kämpfen muss, um so Punkte zu sammeln. Die gegnerische Mannschaft will das mit vollem Körpereinsatz verhindern. Dabei fahren die Frauen immer im Kreis. In dessen Mitte stehen die Schiedsrichter, die ein Auge auf die rempelnden Spielerinnen haben. Faustschläge oder Beinstellen ist verboten. Die fiesen Kampfnamen gehören genauso zu Roller Derby wie die Rollschuhe. Vor fünf Jahren kam der Sport aus den USA nach Deutschland. Das zweitbeste deutsche Team kommt aus Berlin.

Die Auswahl erfolgte bei mehreren Probetrainings. „Die Mädels, die wir hier sehen, sind leistungsbezogen. Die wollen siegen und haben hart dafür gekämpft, dabei zu sein“, sagt Nationaltrainerin Titty Twista, alias Stefanie Bohnet aus Stuttgart. Sie steht in der Mitte der Halle am Kreuzberger Mariannenplatz, wo die Berlin Bombshells trainieren. Es ist das letzte gemeinsame Training der Nationalmannschaft in Deutschland. Die 20 Spielerinnen schubsen und schieben sich über das Spielfeld. Ab und zu geht eine von ihnen krachend zu Boden. Sie tragen schwarze Leibchen, die Farben Rot und Gold bilden zwei dezente Streifen – auf dem Rücken ihre Namen. Untenrum: zerfetzte Netzstrumpfhosen oder bunte Höschen.

Wenn Bambule während der Trainingspausen ihre Runden dreht, hat sie trotz schwarz gefärbter Haare und den drei Piercings in der Unterlippe die Eleganz einer Eiskunstläuferin. Doch sobald sie auf dem Spielfeld steht, räumt die 25-Jährige wie ein Dampfhammer den Weg frei. „Dann übernimmt Bambule“, sagt Jule Hanke, die ebenfalls aus Friedrichshain kommt und als Bühnentechnikerin arbeitet. Den Namen habe sie gewählt, weil er so gut zu ihrer Heimatstadt Berlin passe: „Krawallig, aber gleichzeitig auch perfekt zum Partymachen.“

Pfiff. Die Spielerinnen fahren an den Rand des Spielfelds, pulen ihren Beißschutz von den Zähnen und werfen die Helme auf den Boden. „Boah, ich brauche frische Luft. Ich gehe rauchen“, ruft eine von ihnen.

Nationaltrainerin Titty Twista ist zufrieden mit ihrer Truppe. „Ich habe ein gutes Gefühl. Die Mannschaft wächst langsam zusammen“, sagt sie. An einen deutschen Sieg glaubt sie trotzdem nicht. Die USA, Kanada und Großbritannien seien einfach besser und erfahrener. „Aber ein Spiel um Platz drei muss schon drin sein“, sagt sie und schaut streng zu den Frauen. Antonie Rietzschel

Antonie Rietzschel

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