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Nein zur AfD. Zählt das auch, wenn es um ehrenamtliche Arbeit geht?

© Ina Fassbender/dpa

Ausschluss aus Sozialkommission: AfD-Mitglied darf Senioren nicht mehr gratulieren

Die Mehrheit im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf schließt einen langjährigen ehrenamtlichen Helfer aus. Ist sein Amt so politisch?

Dürfen Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) ehrenamtlich für Berliner Bezirksämter tätig sein? Diese Frage wirft ein Fall aus Charlottenburg-Wilmersdorf auf. Denn die dortige rot-rot-grüne Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verhinderte jetzt die Wiederwahl eines langjährigen Helfers.

Steffen Michael Witt engagierte sich seit rund 15 Jahren in einer der mehr als 30 Sozialkommissionen in dem Citybezirk. Die Mitglieder besuchen und gratulieren Senioren anlässlich runder Geburtstage oder Ehejubiläen wie der Goldenen Hochzeit. Doch weil Witt 2014 der AfD beitrat, darf der 71-Jährige nicht mehr mitmachen.

CDU kritisiert Entscheidung

Witt trägt eine Ehrennadel, mit der ihn das Bezirksamt anlässlich seiner zehnjährigen Mitgliedschaft in einer Sozialkommission ausgezeichnet hatte. Diese kümmert sich um den Wilmersdorfer Kiez um die Uhlandstraße und den Hohenzollerndamm. Ebenso wie die BVV werden die Helfer alle fünf Jahre neu gewählt. Normalerweise eine reine Formsache: Das Bezirksamt legt eine Namensliste vor, und die BVV winkt sie durch.

Diesmal aber setzten die SPD, die Grünen und Linken eine Beratung im Sozialausschuss durch und strichen Witt von der Liste. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU). Das Ehrenamt werde „in Gänze beschädigt“, wenn Kandidaten mit „Gesinnungsschnüffelei“ rechnen müssten. Die Gratulationsdienste seien „völlig unpolitisch“. Witt habe seine Tätigkeit tadellos ausgeübt. Auch sonst sei er unbescholten, wie die Prüfung der polizeilichen Führungszeugnisse aller Kandidaten gezeigt habe.

Der Stadtrat findet es „okay, Zeichen gegen die AfD zu setzen, aber nicht hier“. So sieht es auch der Vizefraktionschef der CDU in Charlottenburg-Wilmersdorf, Karsten Sell: „Das geht gar nicht.“ Er sei kein Freund der AfD, doch handele es sich um eine legale Partei. Außerdem „suchen wir doch händeringend Bewerber“ für die Sozialkommissionen.

Ehrenamtliche dürfen nicht nach Parteimitgliedschaft gefragt werden

Dagegen nennt es der SPD-Bezirksverordnete und Ex-Baustadtrat Marc Schulte „nicht hinnehmbar für die SPD“, dass „Mitglieder einer sich selbst als rechtspopulistisch bezeichnenden Partei Migrantinnen und Migranten oder Mitgliedern der LGBT-Community zum runden Geburtstag gratulieren“. (Die englische Abkürzung LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Anm. der Red.)

SPD-Fraktionschef Holger Wuttig schrieb dem Tagesspiegel: „Wenn wir unser Wahlrecht ernst nehmen, dann müssen wir eben auch wählen dürfen, ob wir Bewerberinnen und Bewerber unterstützen oder eben nicht.“ Man erlebe auch in der BVV, wie die AfD „den gesellschaftspolitischen Grundkonsens für eine bunte, vielfältige Stadt, die alle mit einschließt, aufkündigt“. Die SPD werde keinen Kandidaten unterstützen, der „als Mitglied der AfD im Ehrenamt den Bezirk repräsentiert“.

Witt selbst sagt: „Niemand hat mit mir gesprochen.“ Er sei der AfD 2014 beigetreten und Beisitzer im Bezirksvorstand geworden, bis dieser vor zwei Wochen parteiintern neu gewählt wurde. „Jetzt bin ich nur noch ordentliches Mitglied.“ Sein Ehrenamt im Seniorenbereich habe er immer unpolitisch ausgeübt. Im Internet finden sich keine politischen Statements von ihm.

Kandidaten für ein Ehrenamt dürfen nicht nach ihrer Parteimitgliedschaft gefragt werden. Wie Witts politische Gegner von seiner AfD-Mitgliedschaft erfuhren, ist unbekannt – allerdings reicht eine Google-Suche nach seinem Namen aus, um herauszufinden, dass er Beisitzer im Kreisvorstand war.

Auch seine Frau engagiert sich ehrenamtlich

Im Jahr 2009 wurde Witt übrigens auch in die Seniorenvertretung des Bezirks gewählt und vertrat diese in den BVV-Ausschüssen für Sport und Bürgerdienste. Bei der kürzlich erfolgten Wahl der Seniorenvertreter unterlag er jedoch anderen Bewerbern.

In der dreiköpfigen Sozialkommission für den Kiez um die Uhlandstraße engagiert sich auch Witts Frau Erika. Sie ist die Vorsitzende des kleinen Gratulationsdienstes und wurde über die Bezirksamtsliste wiedergewählt. „Ich gehöre ja nicht der AfD an“, sagt sie. Aus Empörung über den Umgang mit ihrem Mann erwägt sie aber, zurückzutreten.

Weiter gestritten wird über den Fall Witt in der BVV-Sitzung am 27. April ab 17 Uhr im Rathaus Charlottenburg.

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