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Bausenator Geisels Aussage zum Bau am Leipziger Platz bringt ihn weiter in Erklärungsnot.

© dpa

Ausnahme für Neubau am Leipziger Platz in Berlin: Bausenator Geisel kommt immer stärker in Erklärungsnot

Am Leipziger Platz können wegen des Lärms keine Wohnungen gebaut werden? Experten halten dieses Argument für höchst fragwürdig - und es gibt weitere gewichtige Indizien gegen die Verteidigungslinie Geisels.

Eine irreführende Aussage und „fadenscheinige“ (Mittes Baustadtrat Carsten Spallek) Begründungen der Ausnahmeregelung zugunsten eines einzelnen Investors am Leipziger Platz bringen Bausenator Andreas Geisel immer stärker in Erklärungsnot. Nun bestätigen auch Bauexperten, Mieter am Platz (siehe diesen Artikel) sowie ein Blick in den Bebauungsplan, dass das wichtigste Argument für die lukrative Befreiung vom Bebauungsplan zum Vorteil eines Kunden von Ex-Bausenator Peter Strieder gar nicht greift: der Lärm.

„Gesunde Wohnverhältnisse sind an Hauptverkehrsstraßen und sogar an Containerhäfen möglich, wenn der Lärm etwa durch Hamburger Fenster ausgeschlossen wird“, sagt Christian Otto, Professor an der TU Berlin. Der Name für die Fenster, die auch im geschlossenen Zustand den Luftaustausch sicherstellen, bürgerte sich beim Bau von Hamburgs „Hafencity“ ein. Lärm und Gestank von Schiffen und Industrieanlagen sind dort gewaltig, die Wohnungen trotzdem heiß begehrt und dank des Einbaus der Schallschutzfenster herrschen dort „gesunde Wohnverhältnisse“, sogar wenn sie offen stehen, sagt Otto.

Eine Behauptung im krassen Widerspruch zum Bebauungsplan

Dass Lärmvermeidung bei Neubauten an theoretisch ungeeigneten Orten so möglich ist, sei im Übrigen „Stand der Technik“. Damit widerspricht er den Aussagen von Geisel am Mittwoch während der Vorstellung der Architekturentwürfe für den Neubau. Der Bausenator hatte erklärt, wegen des Verkehrslärms seien Wohnungen an diesem Ort nicht „sinnvoll möglich“.

Diese Behauptung steht auch im krassen Widerspruch zum Bebauungsplan für den Leipziger Platz selbst. Schon bei dessen Festlegung hatten sich Experten aus der Bauverwaltung eingängig mit dem Lärmproblem am Platz befasst – und kamen zum selben Ergebnis wie Bauprofessor Otto: Die Bauherren vom Leipziger Platz können sehr wohl die „Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gewährleisten“, jedenfalls wenn sie beispielsweise „zusätzliche bauliche Vorkehrungen (schallgedämmte Lüftung)“treffen.

Und der Bebauungsplan legt fest, dass dies auch so erwünscht ist: Es sei auf allen Grundstücken „erklärtes Planungsziel, einen Wohnanteil festzusetzen“.

Eine Entscheidung, die "nicht nachvollziehbar" ist

Der Neubau Leipziger Platz 18 Ecke Potsdamer Platz ist das einzige Gebäude am Oktogon, das befreit ist von der lästigen Pflicht im Bebauungsplan für das Gebiet, wonach auf 20 Prozent der Bruttogeschossfläche Wohnungen entstehen müssen.

Andere Eigentümer wie Karlheinz Knauthe bezeichnen das als „nicht nachvollziehbar“, weil sie selbst auf den Bebauungsplan eingeschworen wurden und durch die Bereitstellung von Wohnungen auf Mieterträge verzichten müssen: Büroflächen bringen doppelt so viel ein.

Den Verzicht auf Wohnungen hatte Ex-Bausenator Peter Strieder vergeblich beim Bezirksamt Mitte beantragt. Bausenator Geisel (beide SPD) kassierte die Entscheidung und genehmigte die geldwerte Befreiung. Koalitionspartner CDU nennt das die „willkürliche Erfüllung der Investorenwünsche durch sozialdemokratisches Füreinander im Hinterzimmer“.

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