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Mariana Cernolev ist eine erfahrene Krankenschwester.

© Sebastian Gabsch PNN

Ausländische Fachkräfte: Bürokratische Hürden bis zum Arbeitsplatz

Ausländische Fachkräfte sind gefragt, aber wer seine Ausbildung anerkennen lassen will, braucht Geduld. Mariana Cernolev aus Moldawien hat es geschafft – und steht vor der Zulassung als Krankenschwester.

In ihrem Beruf hat sie jahrelange Erfahrung. Noch dazu noch in einem Bereich, in dem Fachkräfte händeringend gesucht werden. Und doch ist es für die Krankenschwester Mariana Cernolev nicht leicht, in Deutschland zu arbeiten. Denn der Abschluss, den sie in ihrem Heimatland Moldawien erworben hat, wird hier nicht ohne Weiteres anerkannt.

Natürlich möchte Mariana Cernolev, die 2012 nach Deutschland kam und seitdem in Potsdam lebt, in ihrem Beruf als OP-Schwester arbeiten. Ohne Anerkennung der Berufsqualifikation darf die heute 37-Jährige das jedoch nicht. Um diese zu erlangen, müssen Zeugnisse übersetzt und beglaubigt, Termine in Ämtern und Behörden wahrgenommen und Anträge gestellt werden. Und nicht zuletzt gilt es, so schnell wie möglich einen Sprachkurs zu finden. „Ich habe am Anfang eigentlich den ganzen Tag telefoniert“, erzählt Cernolev.

Bürokratische Hürden

„Das Prozedere ist sehr aufwendig und es sind viele bürokratische Hürden zu überwinden“, sagt Anne Dann vom Verein „Kontakt Eberswalde“, der ausländische Fachkräfte im Bereich Gesundheit und Soziales berät und begleitet, die ihren Abschluss anerkennen lassen wollen. Grundlage dafür ist das 2012 von der Bundesregierung geschaffene Anerkennungsgesetz, das Fachkräften aus dem Ausland das Recht gibt, ihren Berufsabschluss auf Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf überprüfen zu lassen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer Staatsangehörigkeit.

Vor allem für Menschen, die sogenannte reglementierte Berufe ausüben, für die eine bestimmte Qualifikation per Gesetz oder Verwaltungsvorschrift festgelegt ist – zum Beispiel Apotheker, Ärzte oder Handwerksmeister – ist dies notwendig, um überhaupt in dem erlernten Beruf arbeiten zu dürfen. In Deutschland entscheiden die Anerkennungsstellen darüber, ob die Ausbildung im jeweiligen Heimatland gleichwertig zum deutschen Referenzberuf ist. Das Verfahren beginnt mit der Sichtung der Zeugnisse. Werden Unterschiede festgestellt, müssen die Bewerber diese ausgleichen.

Was fehlt: Die Pflege des Patienten

So wie bei Mariana Cernolev. Ihre moldawische Qualifikation reichte nicht für eine Anerkennung in Deutschland aus. Dabei ist der Beruf der Krankenschwester in Moldawien ein Studienberuf, für den das Abitur Voraussetzung ist und der mit einem Diplom abgeschlossen wird. „Wir sind dort eigentlich eher Hilfsärzte“, erklärt Cernolev.

Doch damit fehlte der jungen Frau ein entscheidender Aspekt des Berufsbildes: Die Pflege des Patienten. „Viele pflegerischen Aufgaben, das Waschen, Füttern oder Anziehen übernehmen in Moldawien die Angehörigen“, erklärt Cernolev. Auch die Planung, Organisation und Dokumentation der Pflege musste die Mutter zweier Kleinkinder neu erlernen und begab sich auf die Suche nach geeigneten Qualifikationskursen. Damit stand sie jedoch vor dem zweiten Problem: Sprach- und Qualifizierungskurse sind teuer. 9000 Euro hätte die Familie dafür aufbringen müssen. „Eine Zeit lang habe ich versucht, einen Mini-Job zu bekommen, aber das scheiterte an fehlenden Sprachkenntnissen“, sagt Mariana Cernolev. Über das Internet stieß sie schließlich auf den Verein Kontakt Eberswalde.

Hilfsvereine

Als Mitglied des IQ-Netzwerks Brandenburg, das Integration durch Qualifikation fördert, ist der Verein Anlaufstelle für alle ausländischen Fachkräfte, die in Gesundheitsfachberufen oder sozialen Ausbildungsberufen arbeiten wollen – für Erzieher, Krankenschwestern oder Physiotherapeuten. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt Anne Dann die Bewerber. „Es ist alles unglaublich unübersichtlich“, sagt Dann. „Wer übersetzt meine Zeugnisse? Wo finde ich einen Sprachkurs? Wo kann ich meine Kinder in der Zeit betreuen lassen?“ Bei all dem hilft der Verein weiter, stellt zum Beispiel den Kontakt zu Beratungs- und Anerkennungsstellen her.

Und nicht nur das. Der Verein, der mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gefördert wird, vermittelt auch Kurse, die für die Bewerber kostenlos sind. Seit 2015 wurden bereits 41 Fachkräfte aus Osteuropa, Japan, Syrien, Indonesien, den Philippinen oder China in einen Anpassungslehrgang vermittelt. Auch Mariana Cernolev hat elf Monate lang noch einmal die Schulbank gedrückt, um die sogenannte Kenntnisprüfung, die Voraussetzung für eine Anerkennung ist, bestehen zu können. Täglich pendelte sie von Potsdam nach Berlin. Drei Praktika, die zur Qualifikation gehörten, absolvierte Cernolev im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum. „Beim ersten Mal habe ich mich kaum getraut, ans Telefon zu gehen“, erinnert sie sich. Die medizinischen Fachbegriffe! Doch inzwischen spricht sie fließend Deutsch. Und auch die notwendige Fachsprache hat sie sich in einem speziellen Training angeeignet.

Erfolgreich bestanden, jetzt fehlt nur noch das Dokument

Inzwischen hat Mariana Cernolev die Kenntnisprüfung erfolgreich bestanden. Nun wartet sie auf das Dokument, das ihr den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht: die Urkunde zum Führen der Berufserlaubnis. Mit dieser wird sie sehr gute Chancen auf einen Arbeitsplatz haben, davon ist Anne Dann überzeugt. „Unsere Teilnehmer werden sehr gern genommen.“ Das zeigen auch Daten der Bundesregierung: Nach erfolgreicher Anerkennung sind neun von zehn Fachkräften erwerbstätig.

Mariana Cernolev blickt optimistisch in die Zukunft. Sie möchte sich wieder als OP-Schwester bewerben. Und vielleicht erfüllt sie sich irgendwann noch einen lang gehegten Wunsch – Medizin zu studieren.

Heike Kampe

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