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Nicht nur oben ohne. Diese Gemälde von Susanne Schüffel könnten die Gefühle muslimischer Frauen verletzen, mutmaßte man in der VHS Marzahn-Hellersdorf und verbannte sie aus einer Ausstellung der Künstlerin.

© Paulus Ponizak

Aus Rücksicht auf Muslime: Volkshochschule hängt Gemälde mit nackten Frauen ab

Gemälde mit nackten Frauen drauf? Aber nicht bei uns, befand man in der Berliner Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf. Die Begründung: Man wolle Rücksicht auf die Gefühle muslimischer Frauen nehmen.

Einen Tag lang hingen sechs Aktbilder in einem Flur der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf. Dann wurden sie abgehängt – aus Rücksicht auf Muslime. Die Künstlerin Susanne Schüffel ist empört. „Als ich davon hörte, kam ich mir vor wie im Osten“, sagt sie. „Nicht nur, dass man von der Volkshochschule keine finanziellen Mittel bekommt. Nein, man wird auch noch zensiert.“

Eigentlich wollte sie am Freitagabend in zwei Etagen der Volkshochschule (VHS) in der Mark-Twain-Straße 27 ausstellen: Ölmalereien, Lithografien, Zeichnungen von Städten und Menschen, diese teilweise nackt. Die strittigen Gemälde zeigten Frauen einzeln und in einer Dreiergruppe – niemand habe sich am Mittwoch darüber beschwert, als Kurator Manfred Reichel die Werke aufhängte. Sie blieben nur bis Donnerstag.

Die Entscheidung fällte der stellvertretende Leiter der VHS, Gotthard Hänisch, wie die Künstlerin schildert. Er habe zwei Möglichkeiten: Entweder er nehme Rücksicht auf die Muslime, die in der VHS Deutschkurse besuchen, oder er lasse ihre Arbeiten hängen, habe er ihr gesagt. Entschieden hat er sich für die erste Option. Sie schlug dann provokant vor, Brüste und Schambereich der Frauen mit schwarzen Balken zu verdecken. Das wäre in Ordnung , soll er geantwortet haben, aber für sie kam das nicht infrage.

Die Kunstwerke verschwanden im Keller

Mit Aktzeichnungen hatte die 46-jährige Berlinerin mit 16 Jahren begonnen. „Für mich gehört das zum Zeichnen dazu“, sagt sie. „Und meine Arbeiten sind überhaupt nicht pornografisch.“ Sie wolle nicht provozieren, sondern die Schönheit des weiblichen Körpers zeigen. Gelernt hat sie das Aktzeichnen übrigens in der VHS Wedding. Als Argument habe ihr das nichts genützt, sagt sie.

Zur Vernissage ist sie nicht gegangen. Erst überlegte sie, alle Bilder von den Wänden zu nehmen, aber sie wollte den Kurator nicht im Stich lassen. Für Manfred Reichel war das Verbot ebenfalls überraschend: „Es gab hier immer mal streitbare Bilder, aber dass Arbeiten abgehängt werden, kam noch nie vor.“ Als er Hänisch darauf ansprach, habe er keine Reaktion erhalten. Auch bei der Vernissage habe dieser sich abgewandt und sei gegangen.

Eine Stellungnahme Hänischs war am Sonnabend nicht zu bekommen. Allerdings ließ er einer Tagesspiegel-Fotografin, die mit Zustimmung der Künstlerin die Bilder in der VHS ablichten wollte, mitteilen, dass ein Zutritt zu den abgehängten Kunstwerken – im Gegensatz zur Ausstellung – nicht gestattet sei.

Die Kulturstadträtin will vermitteln

Das mochte auch die zuständige Kulturstadträtin des Bezirks, Juliane Witt (Linke), nicht gutheißen, zeigte Verständnis für den Ärger der Künstlerin, doch auch für die VHS, wenngleich der Fall „kommunikativ nicht gut gelaufen“ sei. Marzahn-Hellersdorf stehe für beides: „Freiheit der Kunst und interkulturelle Öffnung“. Die Bereitschaft der VHS, den Flüchtlingen aus dem Asylbewerberheim in der Carola-Neher-Straße Deutschkurse anzubieten, sei mit großer Zustimmung aufgenommen und das Angebot ausgezeichnet angenommen worden. Doch habe der Umgang mit den zum Teil muslimischen Flüchtlingen zugleich „viele Ängste und Unsicherheit erweckt“, was auch die VHS zu spüren bekommen habe. Es habe umfassende Diskussionen gegeben, wie interkulturelle Sensibilität gegenüber dieser Gruppe aussehen könne.

Vor diesem Hintergrund habe der VHS-Leiter Susanne Schüffel gebeten, von den 50 Werken die sechs Akte abzunehmen. „Die Kollegen in der VHS waren verunsichert und wollten interkulturelle Sensibilität zeigen, Respekt gegenüber den Asylbewerbern“. Dennoch gilt für sie: „Klar hängen wir die Bilder wieder ran.“ Man könne sie an einem geeigneten Ort präsentieren, sodass weder die muslimischen Frauen, die dies nicht wünschen, damit konfrontiert werden noch die Kunstpräsentation eingeschränkt wird. „Für mich ist klar, dass hier von beiden Seiten ein Aufeinanderzugehen nötig ist.“

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