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Gefährliches Pflaster. In Berlin gab es in diesem Jahr schon neun getötete Radfahrer.

© picture alliance / dpa

Auf den Straßen Berlins: Fast jeder dritte Verkehrstote ist ein Radler

Zwei Radfahrer starben innerhalb von 24 Stunden. Verursacht wurden beide Unfälle von Berufskraftfahrern. Beide Opfer waren 77 Jahre alt.

Zwei getötete Radfahrer innerhalb von 24 Stunden. Das Jahr 2017 geht schlecht zu Ende. Mittlerweile zählt die Polizei neun getötete Radfahrer. Insgesamt gab es 33 Verkehrstote – fast jeder dritte ist also mit dem Rad verunglückt. In den vergangenen Jahren lag das Verhältnis meist bei eins zu vier oder eins zu fünf.

Es waren wie so oft die klassischen Ursachen: Am Freitag in Spandau (Seegefelder Straße) starb eine Frau durch einen nach rechts abbiegenden Lastwagen. In Mitte (Karl-Liebknecht-Straße) starb ein 77-Jähriger am Donnerstag durch eine abrupt von einem Taxifahrer aufgerissene Tür. Die Polizei ermittelt gegen beide Kraftfahrer wegen fahrlässiger Tötung. Beide sind Berufskraftfahrer. Bei zwei Demonstrationen in diesem Herbst ging es um diese typischen Unfallgefahren: Im Oktober in der Kreuzberger Oranienstraße (organisiert vom Radentscheid) und Anfang November in Wilmersdorf bei einer ADFC-Mahnwache unter dem Motto „Radunfälle mit Lkw verhindern“.

Viele der getöteten Radler sind über 75 Jahre alt

Zuvor war eine Frau in Wilmersdorf dort von einem Lastwagen angefahren worden, sie hatte lebensbedrohende Verletzungen erlitten. In diesem Fall hatte es eine erfahrene Tourenleiterin des Fahrradclubs getroffen. Oft wird behauptet, dass nur schwächere oder ältere Menschen zu Opfern werden – ganz ausschließlich gilt das nicht, wie der Fall von Beate F. zeigt.

Auffallend ist aber, dass vier der neun getöteten Radfahrer über 75 Jahre alt waren. Zwei der drei Radfahrer, die durch eine aufgerissene Autotür starben, waren 77 Jahre alt. Der dritte tödliche „Dooring“-Unfall im Juni hatte am meisten Aufsehen erregt, da der Verursacher als Diplomat nicht belangt werden konnte.

Phänomen "Dooring"

Die Gefährdung lässt sich leicht vermeiden – von beiden Seiten. In Holland wird in der Fahrschule gelehrt, die Fahrertür mit der rechten Hand zu öffnen. So ist ein Aufreißen unmöglich, zudem geht der Kopf automatisch nach hinten. In Deutschland heißt die Methode „holländischer Griff“, ist aber weitgehend unbekannt. Auch Radfahrer können diese Art vermeiden – indem sie ausreichend Abstand halten. Dies ist der einzige „wirksame Schutz gegen Dooring“, heißt es beim ADFC.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Nur selbstbewusste Radfahrer trauen sich zu, in der Mitte der Fahrbahn zu fahren. Das hilft aber doppelt, gegen aufgerissene Türen und gegen zu geringen seitlichen Abstand durch überholende Autos. Durch zu geringen Abstand durch überholende Autos starben im vergangenen Jahr vier Radfahrer – eine nicht zu erklärende Häufung wie in diesem Jahr die „Dooring“-Unfälle. Schwächere Radfahrer fahren weit rechts, weil sie sich von fahrenden Autos von hinten bedrängt fühlen.

Auch Radfahrer müssen Regeln beachten

Dabei sind Radfahrer verpflichtet, ausreichenden Abstand zu geparkten Autos zu halten, genau definiert ist das im Gesetz allerdings nicht. Ein bis 1,50 Meter gelten als ausreichend. Nach Angaben des ADFC-Bundesverbands „ist es zum Glück nur ein Gerücht, dass bei zu dichtem Vorbeifahren der Schadenersatz gekürzt wird“. Die Gerichte seien sich mittlerweile einig, dass die Verantwortung beim Autofahrer liegt, so dass Radfahrer in aller Regel voll entschädigt werden – trotz einer Mitschuld am Unfall.

Der Taxiverband Berlin (TVB) ermahnte seine Fahrer am Freitag so: „Aus traurigem Anlass: Kollegen, achtet auf den Verkehr, bevor ihr die Türen öffnet und sagt es auch euren Fahrgästen."

Die Ursachen sind bekannt

Dooring-Unfälle gehören zu den Horrorvorstellungen aller Radfahrer – zu Recht, wie Unfallforscher Siegfried Brockmann nach dem Unfall im August gesagt hatte. Der Chef der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat in einer Studie dazu ermittelt, dass derartige Unfälle „vergleichsweise selten, aber häufig sehr schwer“ sind. Eine Auswertung der UDV- Unfalldatenbank ergab, dass in sieben Prozent der erfassten Unfälle ein Radler mit einer sich öffnenden Autotür kollidiert war.

Jeder fünfte dieser Unfälle hatte schwere Verletzungen zur Folge, das sind deutlich mehr als bei anderen Ursachen. 2016 gab es laut Statistik 7495 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung, 583 Radfahrer wurden dabei schwer verletzt – also bei jedem 13. Unfall. Ebenso gefährlich sind Lastwagen, vor allem rechts abbiegende. Vier der neun tödlichen Unfälle wurden durch rechts abbiegende Lastwagen verursacht.

„Die Unfallursache ist seit Jahrzehnten bekannt“, heißt es beim Berliner ADFC, leider unternehme die Politik zu wenig. Erforderlich seien unter anderem technische Lösungen in den Fahrzeugen und bessere Infrastruktur für Radfahrer. In den vergangenen Jahren hat Berlin nur Farbe verpinselt, kritisieren Fahrradaktivisten um den Volksentscheid-Initiator Heinrich Strößenreuther. Dies gaukele nur Sicherheit vor, Falschparker ließen sich davon auch nicht abhalten. Dass der Slogan des Radentscheids „Farbe hilft nichts“ seine Berechtigung hat, zeigt der Unfall in Spandau: Die Kreuzung Zeppelinstraße Ecke Seegefelder Weg ist eine der wenigen, auf denen die Radspuren rot eingefärbt sind.

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