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Im Dezember 2016 richtete Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad an.

© Michael Kappeler/dpa

Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz: Anis Amri wurde womöglich von IS-Prediger angestachelt

Medienberichten zufolge wurde der Attentäter womöglich von dem Prediger Abu Walaa angeworben. Sicherheitskreise äußerten sich dem Tagesspiegel gegenüber jedoch skeptisch.

Von Frank Jansen

Auch knapp ein Jahr nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche bleibt unklar, ob der Attentäter Anis Amri auf Befehl der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gehandelt hat. Der Tunesier sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von dem Netzwerk des Predigers Abu Walaa „zur Verübung des Anschlag in Berlin angeworben worden“, berichteten am Montag der RBB und die „Berliner Morgenpost“. Sie stützen sich auf Unterlagen des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen. Abu Walaa war bis zu seiner Festnahme im November 2016 der mutmaßliche IS-Chef in Deutschland.

Sicherheitskreise äußerten sich allerdings gegenüber dem Tagesspiegel skeptisch. Es sei bekannt, dass Amri mit Abu Walaa und Leuten aus dessen Umfeld in Kontakt stand, hieß es. Daraus könne aber nicht automatisch geschlossen werden, der Tunesier habe „auf Knopfdruck des IS gehandelt“, sagte ein Sicherheitsexperte. Von einem „klaren Befehl“ wisse man nichts. Andererseits hatte Amri in Berlin vor dem Anschlag ein Video aufgenommen, in dem er sich zum „Islamischen Staat“ bekennt. Das IS-Sprachrohr Amaq veröffentlichte den Clip wenige Tage nach dem Terrorangriff.

Abu Walaa muss sich vor Gericht verantworten

Abu Walaa ist eine schillernde Figur. Der Iraker, dessen richtigen Namen die Bundesanwaltschaft mit Ahmad Abulaziz Abdullah A. angibt, muss sich seit September gemeinsam mit vier mutmaßlichen Komplizen vor dem Oberlandesgericht Celle verantworten. In der Anklageschrift wird der Gruppe vorgeworfen, in Deutschland ein „überregionales salafistisch-dschihadistisches Netzwerk“ gebildet zu haben. Abu Walaa habe als Repräsentant des IS die zentrale Führungsposition übernommen. Ziel des Netzwerks sei es gewesen, Personen an den IS nach Syrien oder in den Irak zu vermitteln, sagt die Bundesanwaltschaft.

Der Iraker agierte von Hildesheim aus, wo er als Imam die Moschee des Vereins „Deutscher Islamkreis Hildesheim“ leitete. Im März 2017 verbot Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Truppe. Amri soll nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Ende 2015 in der Moschee gewesen sein. Der RBB berichtet unter Bezug auf Dokumente des LKA Nordrhein-Westfalen, Abu Walaa habe Amri eine „dreißigminütige Privataudienz“ gewährt. In der Verbotsverfügung von Pistorius wird ein Mitglied des Vereins namentlich als „Kontaktperson des Anis Amri“ erwähnt. Außerdem hat Abu Walaa auch in Berlin sogenannte Islam-Seminare abgehalten.

Amris Todesfahrt entspricht der Propaganda des IS

In Berlin trat der Prediger in Moabit in der Fussilet-Moschee auf. Dort war auch mehrmals Amri – zuletzt eine Stunde vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Sicherheitskreise sagen zudem, ein Mitglied der Gruppe von Abu Walaa, der Deutschserbe Boban S., habe Amri im Dezember 2015 zu einer Art Wehrsportübung mitgenommen. Eine Gruppe junger Salafisten, jeder bepackt mit einem schweren Rucksack, lief im Sauerland kilometerweit durch einen Wald. Boban S. ist einer der Angeklagten im Verfahren am OKLG Celle. Unstreitig ist, dass Amris Todesfahrt mit einem gekaperten Truck der Propaganda des IS entspricht.

Ein führendes Mitglied der Terrormiliz, der Syrer Abu Mohammed al Adnani, hatte bereits im September 2014 die Anhänger des IS weltweit aufgerufen, mit allen vorstellbaren Mitteln die „Ungläubigen“ anzugreifen. „Zerschlagt ihre Köpfe mit einem Stein, schlachtet sie mit einem Messer, überfahrt sie mit einem Auto, werft sie von einem hohen Punkt, erstickt oder vergiftet sie“, verkündete Adnani in einer Audiobotschaft, die über das Internet verbreitet wurde.

Es könnte aber auch ein „Nachahmungseffekt von Nizza sein“

Sicherheitskreise vermuten, Adnanis Hetze sei Amri geläufig gewesen. Dass der Tunesier einen Lkw als Tatwaffe einsetzte, könnte aber auch ein „Nachahmungseffekt von Nizza sein“. In der südfranzösischen Stadt war im Juli 2016 der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem Lastwagen über die Promenade am Meer gerast. 86 Menschen starben, mehr als 400 wurden verletzt. Die deutschen Sicherheitsbehörden sahen schon damals eine hohe Gefahr von Nachahmertaten, da das Tatmittel einfach zu beschaffen war. Und der IS bekannte sich der Tat von Nizza.

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