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Leben auf der Straße. Ein Symbolbild

© Paul Zinken/dpa

Armut in Berlin: Obdachlose suchen bei Ebay eine Wohnung

Seit anderthalb Jahren leben zwei Männer auf der Straße. Jetzt ergriffen sie eine außergewöhnliche Initiative. Die Resonanz ist verblüffend.

Der Mann ist obdachlos, sein Vorname lautet Dirk. Seit eineinhalb Jahren lebt er auf der Straße, aber er will das ändern. Dirk, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen möchte, hat ein Lebensmotto, und das geht so: „Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten.“

Vor drei Wochen haben Dirk und sein Freund Stephan über die Internetseite Ebay Kleinanzeigen eine ungewöhnliche Anzeige geschaltet. Die beiden suchen einen „Vermieter mit Herz“. Damit haben sie etwas losgetreten: Fast 3000 Menschen haben die Anzeige schon im Original gesehen, andere Wohnungsgesuche schaffen häufig nur ein Zehntel der Internetseiten-Besuche. Seither bekommt Dirk ständig Nachrichten.

"Wir sind zwei nette Obdachlose"

Eine kleine Wohnung hätten er und Stephan gerne, notfalls auch ein Zimmer, 20 Quadratmeter soll es haben. „Wir sind zwei nette und vernünftige deutsche Obdachlose“, schreiben die beiden, „die gewillt sind, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen.“ In der Anzeige berichten sie von Problemen, die sie bei der Wohnungssuche haben, weil das Bild von Obdachlosen negativ geprägt sei. Sie betonen, dass sie keine Ratschläge und keine Betreuung brauchen, sondern einfach nur jemanden, der ihnen „eine ehrliche Chance gibt“.

Die Anfrage wurde auf Facebook geteilt

Das Internet hat sie ihnen nun vielleicht gegeben. Vor einigen Tagen wurde ihre Anfrage auf Facebook geteilt, dann haben die ersten Zeitungen darüber berichtet, Fernsehteams um Interviews gebeten. Doch Dirk möchte sein Gesicht nicht im Fernsehen zeigen. „Ich suche einfach nur nach einer Wohnung und will mich nicht wie eine Sau durchs Dorf treiben lassen“, sagt er.

In Wedding durften sie schon ein Zimmer beziehen

Und wie geht’s den beiden nun nach all dem Trubel? Die erste Unterkunft haben er und Stephan inzwischen gefunden. Bei einem Paar, das selbst wenig Geld hat, durften sie in Wedding ein Zimmer beziehen. Gas gibt es nicht, das wurde dort bereits abgedreht. Und obwohl es besser ist als im Schlafsack auf der Straße, wollen die beiden bald ausziehen, in eine eigene Wohnung, falls jemand sie ihnen vermieten möchte.

Denn das ist das Problem: Die meisten Vermieter verlangen eine Schufa-Auskunft, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, den Nachweis eines Jobs. Selbst Berlinern mit Arbeit, die nicht auf der Straße leben, fällt es zunehmend schwer, eine neue Wohnung zu finden. Dirk und Stephan haben es deswegen nicht einmal probiert. „Wir haben da doch eh keine Chance“, sagt Dirk. Obwohl sie ausgerechnet haben, dass sie mit Stephans Erwerbslosenrente, seinem Mini-Job und dem, was Dirk am Ku’damm erbettelt, auf 1800 bis 2000 Euro Verdienst pro Monat kommen. Doch momentan bricht Dirks Verdienst wegen der Wohnungssuche ein: Wer am Telefon Interviews ablehnen muss, dem geben Passanten kein Geld.

Wohnungsangebote kommen aus ganz Deutschland

Inzwischen bekommen die beiden immer mehr Wohnungsangebote aus ganz Deutschland. „Am Freitag war sogar Ostfriesland dabei“, sagt Dirk. „Da schrieb uns einer, kommt zu mir, wir haben hier Jobs und ich habe eine Wohnung für euch.“ Nur aus Berlin käme bisher wenig. Und immer sei eine Kaution gefordert, die Stephan und Dirk nicht aufbringen können. Über die Spendenplattform "Go Fund Me" haben sie am Freitag einen Aufruf gestartet und sammeln Geld für die ersten paar Monatsmieten und die Kaution. Und besonders für Dirk ein großes Anliegen: einen alten Laptop, damit er nicht mehr auf seinem Handy nach Wohnungen suchen und Kleinanzeigen schreiben muss.

Johannes Drosdowski

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