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Das Mahnmal am Breitscheidplatz.

© REUTERS

Anschlag am Berliner Breitscheidplatz: Initiative wirft Senat "Tabuisierung" von islamistischem Tatmotiv vor

Am Dienstag wird ein Mahnmal zum Gedenken an den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz eingeweiht. Eine Initiative wirft der Politik vor, einer Debatte über das Motiv des Täters auszuweichen.

Zwölf Namen und ein goldener Riss: Am Dienstag wird die Gedenkstätte am Breitscheidplatz eingeweiht. Sie soll an die Menschen erinnern, die bei der islamistischen Terrorattacke vor einem Jahr ums Leben kamen oder verletzt wurden. Zum öffentlichen Gedenken hat sich hoher Besuch angesagt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und weitere Mitglieder der Bundesregierung werden erwartet. Und auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der komplette Berliner Senat wollen am Dienstag am Anschlagsort den Opfer Ehre erweisen.

Die Aussicht auf das bevorstehende politische Gedenken löst bei manchen Bürgern indes Unbehagen aus. Etwa beim 29-jährigen Berliner Daniel Kupfer. „Wir wurden in den vergangenen Monaten Zeugen eines eklatanten Behördenversagens“, sagt der Behindertenpädagoge, der derzeit Religionswissenschaften studiert. Es hinterlasse daher einen bitteren Nachgeschmack, "dass diejenigen, die den Anschlag nicht verhindern konnten, nun die Gedenkpolitik bestimmten. Gemeinsam mit anderen Berlinern hat Kupfer deshalb die Initiative „Berlin gegen Islamismus“ gegründet, die unter anderem von der Journalistin Alice Schwarzer, dem Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar und dem algerischen Schriftsteller Boualem Sansal unterstützt wird.

Keine Parolen, keine Sprechchöre

Die Gruppe plant am Dienstag eine Kundgebung am Anschlagsort, die sich an die offizielle Gedenkveranstaltung anschließen soll. „Wir wollen die offizielle Feier nicht stören oder den Hinterbliebenen die Möglichkeit nehmen, in einem öffentlichen Rahmen von ihren Angehörigen Abschied zu nehmen“, sagt Kupfer. Auf Sprechchöre oder das Skandieren von Parolen verzichte die Initiative deshalb bei ihrer Demonstration. „Wir wollen es uns aber auch nicht nehmen lassen dagegen zu protestieren, wie in dieser Stadt das Gedenken an diese schreckliche Tat von der Politik vereinnahmt wird.“

Der Initiative geht es dabei nicht einzig darum, das Versagen der Sicherheitsbehörden zu thematisieren. Kupfer sieht im Umgang der Politik mit dem Attentat ein viel grundsätzlicheres Problem: „Die kritische Auseinandersetzung mit der islamistischen Ideologie, die ja letztendlich das Motiv von Anis Amri war, wird von der Politik völlig tabuisiert“, sagt er. Als Beispiel nennt er die Inschrift, die sich auf dem Mahnmal findet: Sie erwähnt zwar, dass die Menschen am Breitscheidplatz Opfer eines Terroranschlages wurden. Sie verschweige zugleich aber, dass es sich um die Tat eines Islamisten handelte: „Zur Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches Miteinander aller Menschen“, heißt es auf der Gedenktafel.

Hinterbliebene sehen sich vernachlässigt

Die Inschrift war bereits zuvor auf Kritik der politischen Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus gestoßen. Burkhard Dregger (CDU), der Vorsitzende des Amri-Untersuchungsausschusses, sagte dem Deutschlandfunk im Oktober: „Ich finde es immer schön, wenn wir auch Zeichen des friedlichen Zusammenlebens formulieren. Aber das ist in Deutschland sowieso unstreitig. Ich würde mir eher wünschen, dass man zum Ausdruck bringt, dass man zusammensteht gegen die Gefahren des islamistischen Terrorismus." Sawsan Chebli (SPD), Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement, antwortete damals ausweichend: „Im Laufe der Zeit könnte man ja auch noch einmal überlegen, ob man noch einmal eine neue Tafel oder ähnliches hat. Das würde ich gar nicht ausschließen“, sagt sie.

Kritik am politischen Umgang mit dem Gedenken gibt es darüber hinaus auch von den Angehörigen der zwölf Todesopfer. Sie warfen der Bundesregierung in einem offenen Brief mangelnde Unterstützung vor. Es sei spürbar, dass viele aus dem Betroffenenkreis das Bedürfnis hätten, „auszudrücken, was sie von staatlicher Seite als unzureichend oder als zusätzlich belastend empfanden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Merkel will sich deshalb am heutigen Montag mit den Überlebenden des Anschlags und den Angehörigen der Todesopfer in Berlin treffen.

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