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Eine spezielle Betonmischung macht es möglich, in die Bodenplatten Lichtwellenleiter zu integrieren, die leuchten den Weg weisen.

© Kai-Uwe Heinrich

Anhalter Bahnhof in Kreuzberg: Bling, Bling am Bahnsteig - S-Bahn testet neues Infosystem

Ein Informationssystem aus Leuchten im Betonboden. Zwei Berliner haben drei Jahre experimentiert und dann die richtige Mischung gefunden.

Jetzt wird er auch noch intelligent – der uralte Baustoff Beton. Das Berliner Unternehmen SIUT bringt ihn sogar zum Leuchten. Zunächst im Anhalter Bahnhof. Dort sind in den vergangenen Wochen auf einem Gang die ersten Platten eingebaut worden, aus denen heraus blinkende Pfeile den Weg markieren. Ist der Test erfolgreich, könnte der Leuchtbeton die Kommunikationstechnik revolutionieren: Bis hin zu farbigen Informationen, die am Bahnsteig nicht nur zeigen, wo sich die Türen beim haltenden Zug öffnen werden, sondern auch, in welchen Wagen man mit Sicherheit einen Sitzplatz finden wird.

Die Idee hatten Benjamin Westerheide und Vincent Genz bereits 2012. Zusammen mit der Technischen Universität entwickelten sie einen Verbundwerkstoff, mit dem es gelingt, Lichtpunkte gezielt im Beton zu verteilen. „Die ersten Versuche gingen grandios in die Hose“, kann SIUT-Geschäftsleiter Jörn Reinhold heute entspannt sagen. Denn jetzt leuchten sie tatsächlich, die Lichtfasern in den eigens entwickelten Betonplatten. Anfang 2016 sei das System marktreif gewesen. sagte Reinhold.

Insgesamt 17 Komponenten würden für den Leuchtbeton benötigt

Insgesamt 17 Komponenten würden für den Leuchtbeton benötigt, sagte der Geschäftsleiter des im August 2015 gegründeten Unternehmens. Die Rezeptur wird selbstverständlich nicht verraten. Auch wie es gelingt, die Fasern so anzubringen, dass sie das gewünschte Symbol, im Anhalter Bahnhof die Pfeile, ergeben, bleibt Geschäftsgeheimnis. Wie zumindest vorläufig auch die Kosten. Im Bahnhof hat sie die Bahn übernommen.

Die in den Platten integrierten Lichtwellenleiter werden jeweils von einer handelsüblichen LED beleuchtet, die in einem zugänglichen, getarnten Schacht ebenfalls in die Platten integriert ist. Da eine LED in der Regel Jahre durchhalte, sei der Leuchtbeton extrem wartungsarm, schwärmt Reinhold. Ausgeschaltet ist von der Technik nichts zu sehen. Die Platten sind eben und glatt. Und damit auch pflegeleicht. Zumindest in der Theorie. Ausgesucht hat man sich für den Versuch jetzt mit dem Gang im Anhalter Bahnhof einen Ort mit relativ wenig Verkehr.

Aber Reinhold denkt schon weiter. Der ganz große Wurf wären Lichtpunkte in Blindenleitstreifen an Bahnsteigen, die markieren, wo sich die Türen des einfahrenden Zuges befinden werden – vorausgesetzt, dieser hält auch exakt. Durch Zähleinrichtungen in den Wagen, die ihre Daten an die Steuerung des Leuchtbetons übermitteln, könne durch unterschiedliche Farben auch signalisiert werden, ob ein Wagen sehr voll ist oder ob es noch unbesetzte Sitze gibt. Die BVG hat ein solches System für die Plätze im Oberdeck in ihren Doppeldecker- Testbussen einbauen lassen.

Bahn: Die Technik verbessere "den Service und die Sicherheit"

Doch bevor es so weit ist, kann der Leuchtbeton auch einfacher genutzt werden. Reinhold denkt zum Beispiel an Rolltreppen, wo leuchtende Symbole im Boden zeigen, ob die Anlage funktioniert und ob es nach oben oder unten geht. Heute seien solche Informationen nicht für jeden auf den ersten Blick zu erkennen. „Doch auf den Boden gucken alle“ sagt Reinhold. Ähnliche Informationen durch die leuchtenden Punkte könnte es auch vor Aufzügen geben. Doch die Technik muss sich nicht auf den öffentlichen Verkehr beschränken. Hotellerie und Gastronomie, der Laden- und Messebau oder auch der „gehobene Immobilienbau“ könnten davon profitieren, wirbt SIUT um Kunden. Den ersten habe man mit einem Kino in Kühlungsborn gefunden, sagte Reinhold.

Auch die Bahn hat schnell Interesse gezeigt: „Die Technik verbessert mit ihren Informationen den Service und die Sicherheit“ begründet Sprecher Steffen Rutsch den schnellen Einstieg in die neue Informationsmethode. Den Auftrag zum Einbau im Anhalter Bahnhof ist im November erteilt worden. Ein Monat war dann noch nach Reinholds Angaben für die Planung nötig. Und dann wurde gemischt. Noch werden die besonderen Platten manuell produziert. Bei einem Massenbedarf sei aber auch eine industrielle Fertigung möglich.

Leuchten im Boden sind nicht neu. In Augsburg und Köln warnen blinkende LED-Leisten Fußgänger vor heranfahrenden Straßenbahnen. Die Technik ist aber deutlicher zu sehen – und auch anfälliger als beim Leuchtbeton, wo sie ausgeschaltet gar nicht zu erkennen ist.

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