zum Hauptinhalt
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sprach in Spandau mit Parteifreunden über die Sicherheitspolitik von Rot-Rot-Grün.

© Michael Kappeler/dpa

Andreas Geisel über die Sicherheitspolitik des Senats: "Man darf die offene Gesellschaft nicht einschränken"

Bei einer Veranstaltung unter Parteifreunden sprach Geisel über die Pläne für die mobilen Polizeiwachen. Am Alexanderplatz und am Kottbusser Tor fühlt sich der Innensenator selbst unwohl.

Die Krawatte konnte gleich weg. Innensenator Andreas Geisel (SPD) musste vor den zwei Dutzend Spandauer Parteifreunden nicht auf die Form achten, als er am Dienstagabend über die Sicherheitspolitik der rot-rot-grünen Koalition spricht. Eingeladen hatte der Abgeordnete Daniel Buchholz, gekommen waren mittelalte und ältere Menschen, die dem Innensenator mit Sympathie gegenübersaßen.

Geisel hatte einen harten Anfang: Kaum im Amt, musste er mit den Folgen des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt umgehen. Wie er darüber am Dienstagabend sprach, erklärt ein wenig, warum der neue Innensenator einen souveränen Eindruck macht, noch jedenfalls. „Der Umgang mit den Opfern war Mist“, sagte er ganz unumwunden – ein treffendes Eingeständnis dafür, dass niemand im Senat in den Tagen nach dem Anschlag eine Idee hatte, wie man öffentlich trauert.

Geisel kam auf den Anschlag im Zusammenhang mit der Debatte über Fehler und Vertuschungen von Mitarbeitern des Landeskriminalamtes in den Ermittlungen gegen den Attentäter Anis Amri. Vor Tagen hatte Geisel Strafanzeige gegen unbekannt wegen Strafvereitelung im Amt gestellt. Jetzt stehe das LKA am Pranger, und „genau das ist das Ungerechte“, so der Senator. Die Behörde mache „einen harten Job“. Wenn es jetzt eine Diskussion über sie gebe, würde „die Ursache mit der Wirkung verkehrt“.

So redet Geisel: unprätentiös, scheinbar umgangssprachlich – und doch so versiert, dass er politisch immer auf der richtigen Seite zu stehen scheint. Dass es nun einen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt gibt, sei „‘ne richtige Entscheidung“, sagte Geisel. Dabei war es die FDP-Fraktion, die den Ausschuss zuerst gefordert hatte – Geisels SPD schwieg dazu.

Oder die Videoüberwachung: Da hatte der Innensenator genau die Kompromisslinie zu beachten, die in seiner Partei Videobefürworter und Überwachungsgegner trennt. Die Linie führt über Kompromisse wie „mobile Technik“, die auch beim Kirchentag eingesetzt werden soll, über die Vorgaben des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes („nur bei Verdacht auf schwere Straftaten“) bis zu den Bürgerrechten. "Die offene Gesellschaft einzuschränken“, sei nicht der Weg, sagte Geisel, und da gab es richtig Beifall.

Geisel fühlt sich am Alex und am Kottbusser Tor unsicher

Die Innen- und Sicherheitspolitik gehört immerhin zu den Projekten des Senats, bei denen die Koalition Beschlüsse vorgelegt hat. Für Geisel hat das den Vorteil, dass er auch als relativ frischer Senator sagen kann, was alles kommen soll. So etwa fünf mobile Wachen, eine davon in Spandau im Bereich Heerstraße Nord. In Kürze, so Geisel, werde die Polizei neue Schießbahnen in Betriebe nehmen können. Langsam, aber sicher sollen mehr Polizisten eingestellt werden, so dass die Kontaktbereichsbeamten (die es noch gebe, so Geisel), nicht ersatzweise im Streifenwagen mitfahren müssten, sondern wieder zu Fuß auf den Straßen unterwegs sein könnten.

Und überhaupt: die Frage der Präsenz. Er habe auch „schon Orte gesehen, an denen ich mich unsicher fühle“, so der Senator. Der Alex sei ihm tagsüber immer harmlos erschienen. Testweise sei er um 22 Uhr dort lang gegangen – „ich habe mich nicht wohl gefühlt“. Oder der Kotti: die dort stationierte Einsatzgruppe werde auf 30 Polizisten aufgestockt, damit nicht wieder Unmengen von Überstunden (wie wegen der Einsätze im Görlitzer Park) anfallen.

Als SPD-Mann setzt Geisel indes nicht allein auf Recht, Regeln, Ordnung und deren Durchsetzung – Prävention und Sozialarbeit sind ihm genauso wichtig. So will der Senator nicht mehr 400.000 Euro jährlich, sondern runde fünf Millionen Euro ausgeben, um zu verhindern, dass junge Muslime zu den Salafisten oder Islamisten überlaufen. Oder der Görlitzer Park. Auch da ist in Geisels Augen eine „Parallelgesellschaft“ entstanden.

50 Prozent der Besucher des Parks hätten sich „aus der normalen Gesellschaft verabschiedet“ und seien „gar nicht mehr ansprechbar gewesen“, habe er bei einer Begehung gesehen, so der Senator. Daran hätten die 6000 Einsatzstunden der Polizei, die sein Amtsvorgänger Frank Henkel angeordnet hatte, nichts geändert. Geisel setzt mehr auf die „Parkwächter“, die im Görli verstärkt an den Umgangsformen arbeiten soll. Ein bisschen Anerkennung für Henkel ließ Geisel dennoch erkennen. Die starke Polizeipräsenz habe dazu geführt, dass „die Begleitkriminalität deutlich zurückgegangen“ sei, sagte Geisel – „es war nicht alles falsch“.

Zur Startseite