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Manfred Sturm-Larondelle vor seiner Werkstatt.

© A. Kirchner

Altes Handwerk Domäne Dahlem: Zu Besuch bei einem Restaurator

20 Jahre restaurierte Manfred Sturm-Larondelle in Kreuzberg alte Möbel. Seit zwei Jahren ist er in der Domäne Dahlem - und ist glücklich.

Es sind die Geschichten, die hinter antiken Möbelstücken stehen, die Manfred Sturm-Larondelle faszinieren. Jede ist neu. Jede ist anders. Etwa als ein Mann in seine Werkstatt kam, um einen Refektoriumstisch aus rustikalem Eichenholz restaurieren zu lassen. „Im Grunde nichts besonderes, doch da gab es eine bestimmte Stelle im Tisch, wo Wörter in das Holz geritzt waren, die sollte ich so lassen“, berichtet er.

Als Andenken. Denn die Wörter – unleserlich, schief und krumm – habe der Mann als Kind in das Holz geritzt; zum Vokabeln lernen. Manfred Sturm-Larondelle lacht, fast euphorisch, so dass man ihm seine bedingungslose Leidenschaft für solche Episoden gern abnimmt. Seine Werkstatt gehört zu den historischen Handwerksbetrieben der Domäne Dahlem.

Idee: Altes Handwerk erhalten

Seit zwei Jahren ist der geprüfte Restaurator hier auf dem Gelände und fühlt sich richtig aufgehoben. Die Idee hinter dem Konzept der Domäne Dahlem, unter anderem altes Handwerk am Leben zu halten, kommt ihm entgegen. Denn er ist ein offener, kommunikationsfreudiger Mensch, wie er sich selbst einschätzt. „Die Leute können hierher kommen, sehen, riechen und spüren, wie ein Restaurator arbeitet.“ Und es ist nicht allein das traditionelle Handwerk, das er vermittelt, es sind auch die alten Möbel, die er zum Leben neu erweckt und damit vor dem weiteren Verfall bewahrt.

„So kann ich wenigstens einen kleinen Beitrag gegen die heutige Wegwerfmentalität leisten“, erklärt er. Früher habe man einen Schrank – als Einzelstück, massiv von einem Tischler gefertigt – für mehrere 100 Jahre gebaut. Diese Qualität bei der Herstellung von Möbeln gebe es zwar bis heute, aber das koste Geld. „Ich sage deshalb oft, teuer bin ich nicht, sondern preiswert, im Sinne von: den Preis wert.“ Da ist es wieder, sein breites Lachen, das ansteckend wirkt.

Saß Goethe an diesem Sekretär?

Manfred Sturm-Larondelle hat schon etliche historische Möbelstücke gerettet, etwa ein Klosterchorgestühl aus dem 16. Jahrhundert, einen ebenso alten Sakristeischrank und einen Renaissanceschrank. Die Bandbreite seiner Restaurierungsobjekte reicht vom klassizistischen Sekretär, an dem Wolfgang von Goethe gesessen haben könnte, bis hin zu einem Stuhl aus der Gründerzeit.

Bereits seit 1978 arbeitet der gebürtige Hamburger als Restaurator. Bevor er zur Domäne Dahlem kam, hatte er 20 Jahre lang eine größere Werkstatt – circa 120 Quadratmeter - in Kreuzberg. „Es war an der Zeit, sich zu verkleinern, die Arbeit etwas ruhiger anzugehen“, schildert der 66-Jährige.

Und weil er in Lichterfelde-West wohnt und früher mit seinen Kindern, heute mit den Enkelkindern oft hier im alten Dorfkern von Dahlem spazieren ging, kannte und schätzte er das Freilandmuseum der Domäne. Bei seinem Umzug

hierher brachte er auch seinen langjährigen Mitarbeiter und Holzschnitzer Aleksander Wesolek mit. Die neue Werkstatt ist ungefähr 55 Quadratmeter groß und hat drei Zimmer. Im vorderen Raum steht eine traditionelle Hobelbank, an der ein Schraubstock befestigt ist, darüber im Regal hängen Werkzeuge zur Holzbearbeitung wie Stecheisen oder Sägen. Hier nimmt er die Gäste in Empfang, die hinter die Kulissen seiner Werkstatt schauen wollen. Immer wieder sind es auch Schulklassen. „Das macht mir besonders Spaß.“

Restaurator ist bis heute keine geschützte Berufsbezeichnung

Manfred Sturm-Larondelle bei der Arbeit.
Manfred Sturm-Larondelle bei der Arbeit.

© A. Kirchner

Historisch an seiner Arbeit sind vor allem die verwendeten Materialien. Anstelle moderner, synthetischer Leime arbeitet Manfred Sturm-Larondelle im Wesentlichen mit tierischen Leimen; etwa mit Knochen- oder Fischleim. Das mag nicht jeder, gibt er zu, hält prüfend seine Nase über den Topf mit Knochenleim und verzieht das Gesicht. Ein unangenehmer Geruch, noch dazu der Leim, genau wie die Holzteile, die zusammen gefügt werden sollen, zuvor erwärmt werden muss, damit sie sich optimal miteinander verbinden.

Die Politur ist die Königklasse

Und dann zeigt er noch die Königsklasse der Politur – die Schellack-Politur. Mit einem Ballen aus Leinenstoff, der für einen Restaurator wie eine verlängerte Hand sein sollte, arbeitet er den Lack in das Holz ein. Dabei wird die alte Lackschicht auf dem Möbelstück reaktiviert. Schicht für Schicht baut er die Politur auf, wie es heißt. Der Lack wird dabei verdichtet. Bis zu 200 Schichten können es sein. Die „perfekte Politur“ gelingt daher nur mit Zeit, Ausdauer und Geschick. Diese Technik bringt Manfred Sturm-Larondelle auch jungen Nachwuchs-Restauratoren bei. Denn er ist auch Dozent bei der Handwerkskammer Berlin.

Die Werkstatt.
Die Werkstatt.

© A. Kirchner

Seine Liebe zu antiken Möbeln geht bis in Kindheit zurück. In Hamburg, wo er aufwuchs, beeindruckten ihn seinerzeit die aufwendig geschnitzten Holztüren an den Häusern der Kaufmannsleute und Seefahrer. „Jede Tür war einzigartig, mit viel Liebe zum Detail gefertigt“, erinnert er sich. In den Ornamenten habe er sich regelrecht verlieren können. Sie schärften seinen Sinn für diese handwerkliche Kunst und schufen Bilder in seinem Kopf, erzählten somit Geschichten von einer ihm unbekannten, vergangenen Welt.

Das Wissen kam durch die Arbeit

Fortan begleitete ihn der Wunsch, Möbel zu restaurieren. Nachdem er zunächst eine kaufmännische Ausbildung und das Wirtschaftsgymnasium abgeschlossen hatte, begann er sich diesen Traum zu verwirklichen. Schritt für Schritt. Er eignete sich fachliches Wissen in der Praxis an; arbeitete in unterschiedlichen Werkstätten. Und er wälzte historische Bücher, denn das Handwerk der Restaurierung hat sich seit Jahrhunderten bewährt und kaum verändert.

Seit 1980 lebt Manfred Sturm-Larondelle in Berlin. Hier bei der Handwerkskammer machte er die Qualifikation zum geprüften Restaurator. Eine klassische Berufsausbildung in diesem Bereich gab es seinerzeit nicht. Restaurator ist bis heute keine geschützte Berufsbezeichnung.

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