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Eberhard Diepgen (CDU), ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin, wird 75.

© Thilo Rückeis

75. Geburtstag des ehemaligen Regierenden: Jubilar Diepgen plädiert für kürzere Amtszeiten

Heute wird der frühere Regierende Bürgermeister Berlins 75 Jahre alt. Er selbst hat gut 15 Jahre regiert - jetzt hält er eine Begrenzung für sinnvoll.

An ihm kommt keiner vorbei. Gut 15 Jahre war Eberhard Diepgen Regierender Bürgermeister. Bis heute ist er damit Rekordhalter bei der Amtszeit. Geht es nach ihm, würde er nicht mehr übertroffen werden können. Heute ist er dafür, die Amtszeit zu begrenzen. Auf vielleicht zwei Legislaturperioden, wie er vor Kurzen dem Tagesspiegel sagte. Auch in den Bezirken sollte es eine Frist für Bürgermeister und Stadträte geben, sagte der Amtsrekordhalter. Der Zeitraum sollte aber länger sein als beim Regierenden Bürgermeister – und den Senatoren.

Beinahe hätte Diepgen, der an diesem Sonntag 75. Geburtstag feiert, die Latte sogar noch höher gehängt. Zwei Jahre fehlen ihm zum Superrekord. Ausgerechnet die wohl glücklichste Zeit der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte er nicht als Regierungschef. Im Mittelpunkt der Einheit nach dem Mauerfall 1989 stand der Mann mit dem roten Schal, Walter Momper (SPD). Dessen rot-grüner Senat hatte Anfang 1989 die von Diepgen geführte CDU-/FDP-Koalition abgelöst. Die FDP war bei den Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Abgeordnetenhaus geflogen. Aber auch die CDU hatte Stimmen eingebüßt.

Dabei hatten die Meinungsforscher Wochen zuvor noch einen deutlichen Sieg der schwarz-gelben Koalition vorausgesagt. Die CDU hatte lange vom Bonus des Diepgen-Vorgängers Richard von Weizsäcker profitiert, der 1984 Berlin verlassen hatte, weil er zum Bundespräsidenten gewählt worden war. Weizsäcker hatte die CDU aus einem tiefen Loch geführt und 1981 vorgezogene Neuwahlen mit dem Rekordergebnis von 48 Prozent gewonnen. Damit stellte die CDU erstmals nach vielen Jahren wieder den Regierenden Bürgermeister.

Und Diepgen war keineswegs der „natürliche“ Nachfolger. Innerparteilich musste er sich gegen die damalige Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien durchsetzen, die auch von Bundeskanzler Helmut Kohl protegiert worden war. Wahre Freunde wurden Kohl und Diepgen auch danach nicht mehr. Diepgen galt, anders als von Weizsäcker, bei seinen Kritikern als „blass“, was auch immer man darunter versteht. Aber in kürzester Zeit hatte er sein neues Amt verinnerlicht; seine Beliebtheitswerte stiegen. Aus dem „blassen“ Eberhard wurde der fleißige Diepgen, der 1985 auch die Wahlen gewann.

Der Parteienforscher Richard Stöss schrieb später: „Diepgen ist lange unterschätzt worden, gerade auch in seiner eigenen Partei. Dass er bisweilen blass und dröge wirkt (…), hat ihm den Vorwurf der Profillosigkeit eingetragen. In Wirklichkeit ist er ein ausgebuffter Machttechniker und Strippenzieher (...) wird wegen seiner Persönlichkeit, Integrität, Sachkompetenz und Managerfähigkeit geschätzt und geachtet, weit mehr als jeder andere Politiker in der Stadt.“

Wie man ein Netzwerk aufbaut und nutzen kann, hatte Diepgen schon als Student gezeigt. 1963 war er als Mitglied der CDU zum Vorsitzenden des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) an der Freien Universität gewählt worden. Nach kurzer Zeit musste er zurücktreten, weil er Mitglied in einer schlagenden Verbindung war. Das ging gar nicht an der FU.

Wichtiger als das Fechten waren aber die Kontakte, die Diepgen im Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) knüpfte – unter anderem mit dem späteren CDU-Generalsekretär und Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky und dem späteren Bundestagsabgeordneten Peter Kittelmann. Bekannt als „Betonriege“, bestimmten sie viele Jahre lang die Berliner Politik. Das enge Verhältnis zu Landowsky führte am Ende zum Aus der politischen Karriere von Diepgen.

Die Wahl 1989 hatte er nicht gewonnen, weil die Wähler ihm und der CDU nach Korruptionsaffären – unter anderem durch den damaligen Charlottenburger Baustadtrat und Parteifreund Wolfgang Antes – einen Denkzettel verpassten. Aber nur kurz. Die erste Gesamtberliner Wahl gewann Diepgen 1991 glanzvoll, wobei er gewiss auch vom Kanzlerbonus, den Helmut Kohl damals in Ost und West genoss, profitierte. Und Diepgen machte sich gleich wieder ans Werk.

1996 brachte er die Löhne und Gehälter der Ost-Angestellten im öffentlichen Dienst auf Westniveau. 2001 setzte er eine Verwaltungsreform durch, mit der die Zahl der Bezirke von 23 auf 12 sank. Und er forcierte den Ausbau Berlins zur Hauptstadt. Gescheitert ist Diepgen dagegen bei der Olympia-Bewerbung für die Spiele 2000. Das peinliche Aus steckte er noch weg.

Nicht aber den Parteispenden- und Bankenskandal, in den sein Freund Landowsky verwickelt war. 2001 wählte das Abgeordnetenhaus Diepgen ab. Sein Nachfolger wurde Klaus Wowereit (SPD), der Diepgen bei der Amtszeit noch fast überholt hätte. Er hat es nicht geschafft; der Rekord bleibt bei Diepgen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) gratulierte Diepgen zum "75." und würdigte dessen "große Verdienste um Berlin". Sein Engagement in der Debatte um den Hauptstadtbeschluss des Bundestages habe wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschlands politisches Zentrum wieder in Berlin liegt. Die Verlegung des Amtssitzes des Regierenden vom Rathaus Schöneberg ins Rote Rathaus sei ein ebenso starkes Symbol gewesen.

Früher haben sich Eberhard Diepgen als Regierender Bürgermeister und der Grüne Wolfgang Wieland als politische Gegner nichts geschenkt. Jetzt suchen beide im Flüchtlingsbeirat nach Lösungen. Lesen Sie hier das Tagesspiegel-Doppelinterview.

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