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Kniefall vor der Majestät. Am 18. April 1417 wurde der Nürnberger Burggraf Friedrich in Konstanz durch König Sigismund mit dem Amt des Kurfürsten von Brandenburg belehnt. Um 1900 stellte sich der Maler Carl Röhling diese Szene vor.

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600 Jahre Hohenzollern in Brandenburg: Frieden dank Kurfürst Friedrich

Vor 600 Jahren übernahmen die Hohenzollern die Herrschaft in Brandenburg. Schon vorher hatten sie dort mit den räuberischen Quitzows aufgeräumt.

Seit dem frühen Morgen waren der rote Adler von Brandenburg und der schwarze Löwe von Nürnberg durch die Straßen von Konstanz getragen worden. Ein Gefolge von Rittern, bewaffneten Knechten und Musikanten hatte die Bannerträger begleitet – Einstimmung auf den feierlichen Akt, der später auf dem Obermarkt stattfinden sollte. Vor dem bis heute erhaltenen Haus „Zum Hohen Hafen“, in dem der römisch-deutsche König Sigismund während des Konstanzer Konzils residierte und dessen Fassade Jahrhunderte später mit Bildern der Zeremonie verziert wurde, war eine prunkvolle Tribüne aufgebaut worden, auf der ein vergoldeter Armsessel für die Majestät bereitstand.

Gegen acht Uhr holten die Bannerträger die Person, der dieser etwas pompöse Aufzug galt, von ihrer Wohnung am Fischmarkt ab: Friedrich, Burggraf von Nürnberg, vor zwei Jahren zum Kurfürsten von Brandenburg ernannt, aber noch nicht feierlich belehnt. Sigismund hatte sich dem offiziellen Anlass entsprechend gekleidet: Das goldene Gewand, ergänzt durch einen Umhang mit Schleppe, erinnerte den Chronisten Ulrich von Richental an das eines Evangelisten, doch erst die Krone machte das Staatskleid komplett.

Ein Nürnberger Burggraf wird Brandenburgs Kurfürst

Nach allerlei zeremoniellem Hin und Her verlas man eine Belehrung über Rechte und Pflichten des Kurfürsten, Friedrich schwor, dass er all dies erfüllen wolle, und Sigismund erklärte den Vollzug. Ein Gelage beschloss den für Brandenburg und Deutschland so folgenreichen Tag. Denn mit jenem 18. April 1417 – am Dienstag vor 600 Jahren – wurde die Herrschaft der Hohenzollern in Brandenburg endgültig amtlich, begann ihr Aufstieg zum führenden deutschen Adelsgeschlecht, der erst am 9. November 1918 mit der Ausrufung der Republik endete.

Dieses Datums an passendem Ort zu gedenken gibt es in Berlin mehrere Möglichkeiten. Man könnte sich ins Märkische Museum begeben, vor das dort aufgebaute Portal des Hohen Hauses. Nördlich der Klosterkirche, auf dem Areal der heutigen Rathauspassagen gelegen, war es der kurfürstliche Wohnsitz in Berlin, bevor 1443 mit dem Schlossbau begonnen wurde. Friedrich muss manches Mal hindurch geschritten sein. Auch ein Besuch im Jagdschloss Grunewald ist denkbar. Dort hängen Mittelteil und zwei Seitenflügel des Cadolzburger Altars, den Friedrich um 1425 für die Pfarrkirche im mittelfränkischen Cadolzburg, seinem späteren Sterbeort, in Auftrag gegeben hatte. Das Hauptbild zeigt die Kreuzigung Jesu, in den unteren Bildecken sind Friedrich und seine Frau in Betstühlen kniend dargestellt. Wer es plastischer braucht, sollte auf der Zitadelle Spandau die Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ besuchen. Zu den dort gezeigten Resten der von Wilhelm II. initiierten Siegesallee gehört auch das von Ludwig Manzel geschaffene Trio von Friedrich I. und seinen Getreuen Hans von Hohenlohe und Wend von Ileburg. Allen Figuren fehlt der rechte Unterarm, ansonsten sind sie, im Gegensatz zu anderen marmornen Landesherren, noch recht gut beisammen.

Im Jahr 1900 schuf der Bildhauer Ludwig Manzel für die Berliner Siegesallee diese Figurengruppe mit Kurfürst Friedrich I. sowie seinen Getreuen Hans von Hohenlohe (li.) und Wend von Ileburg (re.). Die Standbilder befinden sich auf der Zitadelle Spandau.
Im Jahr 1900 schuf der Bildhauer Ludwig Manzel für die Berliner Siegesallee diese Figurengruppe mit Kurfürst Friedrich I. sowie seinen Getreuen Hans von Hohenlohe (li.) und Wend von Ileburg (re.). Die Standbilder befinden sich auf der Zitadelle Spandau.

© Andreas Conrad

Aber warum eigentlich die Hohenzollern als neue Brandenburger Herren, deren Stammburg sich doch bei Hechingen in Baden-Württemberg befindet, während der fränkische Zweig der Familie, dem Friedrich entstammte, seit Ende des 12. Jahrhunderts die Burggrafschaft Nürnberg innehatte? Und wie sah es damals in der Mark überhaupt aus? Zwei eng miteinander verknüpfte Fragen.

Das Konzil von Konstanz beendete das Schisma der Kirche

Das Konzil von Konstanz war zur Beendigung des kirchlichen Schismas mit einem Haupt- und bereits zwei Gegenpäpsten einberufen worden. Doch so großartig Sigismund dort als Schirmherr auch auftrat – seine Wahl zum König 1410/11 war keineswegs unproblematisch verlaufen. Friedrich, der Burggraf von Nürnberg, nahm dabei als Vertreter Sigismunds das von diesem beanspruchte Wahlrecht für das Kurfürstentum Brandenburg wahr und hatte sich als ein geschickter Vertreter der royalen Interessen erwiesen. Der König war ihm zu Dank verpflichtet und ernannte ihn am 8. Juli 1411 zum „rechten Obersten und gemeinen Verweser und Hauptmann“ in der Mark Brandenburg.

Eine zweischneidige Ehre. Brandenburg galt nicht gerade als Vorzeigeland im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, im Gegenteil. Seit dem Ende der Askanier-Herrschaft 1320 war die Mark unter Wittelsbachern und Luxemburgern zunehmend heruntergekommen. Angesichts der grassierenden Erosion der Zentralmacht hatten die örtlichen Adelsgeschlechter immer mehr Macht an sich gerissen, während ihre wirtschaftliche Bedeutung zugunsten der von Städten wie Berlin und Cölln sank – ein Widerspruch, den sie durch Drangsalierung der Stadt- und Landbevölkerung, kriegerisch ausgetragene Privatfehden und Besitzmehrung in Raubrittermanier zu begegnen suchten. Führend war hier das Geschlecht der Quitzows, das Anfang des 15. Jahrhunderts im Brandenburgischen 16 Burgen und Schlösser besaß, darunter in Köpenick, Plaue und Friesack. Versuche der Städte, sich mit Söldnern zu wehren und in Schutzbündnissen zusammenzuschließen, misslangen, und so ergriff eine brandenburgische Delegation mit Berlin-Cöllner Honoratioren an der Spitze im Frühjahr 1411 die Gelegenheit, beim Huldigungsbesuch im Hoflager des Königs Hilfe gegen den Landadel zu erbitten.

"Tand von Nürnberg"? Von wegen!

Damit war Friedrichs Stunde gekommen, der nach seiner Ernennung zum „Verweser und Hauptmann“ wegen anderer Verpflichtungen und wohl auch aus taktischem Geschick zunächst seinen Vertrauten Wend von Ileburg, in der Figurengruppe auf der Zitadelle rechts von Friedrich, vorschickte. Dessen Empfang war alles andere als freundlich, man verhöhnte ihn gar als „Tand von Nürnberg“, mit dem man schon fertig werde – ein Irrtum.

Friedrich folgte Anfang Juli 1412, berief eine Ständeversammlung in die Stadt Brandenburg ein und ließ sich zuvor noch rasch in der Doppelstadt Berlin-Cölln huldigen – die erste Begegnung der Hohenzollern mit der Bürgerschaft ihrer späteren Residenzstadt. Ein offenbar erfreulich verlaufenes Kennenlernen: Der Rat der Stadt habe Friedrich, so steht es in einer alten Chronik, „eine Tonne Bernauisch Bier verehret, so damals 17 Groschen gekostet“.

Seine anfänglichen Bemühungen, die sich abzeichnende Konfrontation mittels Verhandlungen zu vermeiden, scheiterten. Erfolgreich war er hingegen im Schmieden von Bündnissen gegen die aufsässigen Adligen wie auch in dem bald folgenden militärischen Kräftemessen. In der ersten Auseinandersetzung, dem Gefecht auf dem Kremmer Damm am 24. Oktober 1412, ging es noch gegen die Herzöge von Pommern-Stettin, die den Quitzows zu Hilfe eilen wollten. Es war wohl mehr ein Scharmützel, ein klarer Sieg für Friedrich, allerdings gehörte zu den Toten auf Brandenburger Seite auch sein Vertrauter Hans von Hohenlohe, der Geharnischte ganz links im Spandauer Trio.

Die Steinkugeln der "Faulen Grete" gaben den Quitzows den Rest

Nicht mal zwei Jahre nach diesem Sieg nahe Kremmen im heutigen Landkreis Oberhavel waren die Quitzows selbst dran. Beide Seiten hatten sich gut vorbereitet, die Quitzows hatten ihre Burgen verstärkt und mit Proviant versehen, während Friedrich Kanonen gießen ließ, sogar aus Kirchenglocken, darunter denen der Berliner Marienkirche. Ausschlag soll aber die „Faule Grete“ gegeben haben, ein vom Deutschen Orden geliehenes Riesengeschütz, das Steinkugeln mit 50 Zentimeter Durchmesser verschoss, nur etwa zehn pro Tag, daher wohl sein Name. Aber das reichte: Binnen kurzem klafften große Lücken in den Burgmauern, waren erst Dietrich von Quitzow in Friesack, dann sein Bruder Hans in Plaue besiegt.

Der am 20. März 1414 von Friedrich nach Tangermünde einberufene Landtag, auf dem er eine Landfriedensordnung verkündete, die Stände zur gemeinsamen Hilfeleistung verpflichtete und das Ende des rechtsfreien Zustands durch die allgemeine Verbindlichkeit der ordentlichen Gerichte verfügte, wurde denn auch zum Triumph. Die Stadt an der Elbe war die erste brandenburgische Residenz der Hohenzollern, dort war im Jahr zuvor sein zweiter Sohn und späterer Nachfolger Friedrich II., genannt Eisenzahn, Gründer des Berliner Schlosses, geboren worden.

Lange konnte Friedrich I. sich nicht ausruhen. Schon im August 1414 wurde er nach Konstanz berufen, um Sigismund bei dessen Bemühungen um ein Ende des Schismas zu unterstützen, offenbar wiederum mit Erfolg. Denn am 30. April 1415 teilte der König den versammelten Kurfürsten mit, dass er seinen treuen Diener, als Friedrich VI. noch immer Burggraf von Nürnberg, nunmehr die Würde eines Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg sowie des Erzkämmerers des Heiligen Römischen Reiches verleihe. Noch geschah das unter Vorbehalt, hätten Sigismund und sein Halbbruder Wenzel – Erb- und Lehensverhältnisse waren damals ziemlich verwickelt – theoretisch die Möglichkeit gehabt, die Mark zurückzukaufen. Aber diese Möglichkeit kam nie zum Tragen und erlosch ohnehin mit dem Akt der erblichen Belehnung.

In der Zwischenzeit war der so Geehrte, nunmehr als Kurfürst Friedrich I., erneut in Brandenburg, zog am 18. Oktober 1415 feierlich in Berlin ein und erfuhr drei Tage später im Saal des Franziskanerklosters die sogenannte Erbhuldigung der Stände, der sich eine Huldigungsreise durch die Mark anschloss. Bereits im Herbst 1416 war Friedrich wieder in Konstanz. Einige Monate noch, und er sollte auf dem Obermarkt vor seinem König niederknien, in den Händen die Banner Brandenburgs und Nürnbergs, und den vorgeschriebenen Eid schwören. An der Herrschaft der Hohenzollern war nun auf fünf Jahrhunderte nicht mehr zu rütteln.

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