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Große Themen, große Gesten. Karat-Sänger Claudius Dreilich (r), Sohn von Gründungsmitglied Herbert Dreilich, und Gitarrist Bernd Römer schicken zusammen mit ihren drei Bandkollegen „Seelenschiffe“ auf die Reise. Foto: Bernd Wüstneck/dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

40 Jahre Karat: Eine neue Platte zum runden Geburtstag

"Der Diamant unter den Rockgruppen der DDR": Die legendäre Ost-Band Karat feiert runden Geburtstag. Neben einem neuen Album gibt es ein Jubiläumskonzert in der Waldbühne.

Karat? Bekannte deutsche Rockband, die aus dem Osten kam und uns bestätigt, dass wir über sieben Brücken gehen und sieben dunkle Jahre überstehn, „siebenmal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein“. Okay, dieser Trost. Lange nichts Neues gehört. Haben die Jungs keine Lust mehr? Genug Heu in der Hütte? Was ist los?

Gestern wurde das Geheimnis gelüftet, von jeder Litfasssäule springt es uns an: Karat wird 40 Jahre alt, das Jubiläumskonzert steigt am 20. Juni in der Waldbühne, außerdem in 22 anderen deutschen Städten. Dafür haben die fünf hochkarätigen Musikanten achtzehn Monate lang an einem neuen Album gefeilt. Das wurde am Montag im Haus von Universal Music am Spreeufer vorgestellt und liegt ab 27. März in den Geschäften.

Das Cover-Foto zeigt ganz in Schwarz gewandte Herren, die wie die glorreichen Fünf ziemlich lässig, aber kampfeslustig in einer leeren Fabrikhalle unter einem Glasdach verharren, ohne Instrumente und anderen Schnickschnack. Nur sie, auf die es ankommt, wenn die „Seelenschiffe“ auf große oder kleine Fahrt gehen – von den zwölf Titeln bekommen die Journalisten und eine Armada von Fotografen einen kleinen Ausschnitt vorgespielt: Da ist er wieder, der typische, leicht getragene, balladeske Karat-Sound mit exzellenten Musikern und philosophisch angehauchten Texten.

In einer „Albumbio“ erklärt uns die Plattenfirma das Album: „Ein Sammelsurium großartiger Songideen, es strotzt vor Energie und ist ein klares Statement, dass Karat alles andere als eine Altherrentruppe ist, die ihre Daseinsberechtigung auf ihre frühen Hits beschränkt“. Nein: „Dichte, vielschichtige Kompositionen, bis ins Detail durchdachte Arrangements, Songs, die eher sanft, aber nie kraftlos daherkommen“. Dabei würden „mit ganz großen Themen enorme Bedeutungstiefen erreicht“. Seelenschiffe im Ozean der Gefühle.

Jeans waren verpönt: Mit gelben Hosen im DDR-TV

Dies ist das 20. musikalische Karat-Buch, zwölf Millionen Tonträger wurden bislang verkauft, in dunkler Erinnerung ist die Präsentation der ersten Scheibe, 1976 muss das in einem kleinen Weinlokal im Nikolai-Viertel gewesen sein, die fünf jungen Musiker waren ganz aufgeregt, ganz im Gegensatz zu heute: Abgeklärt und für jeden Spaß zu haben sitzen sie auf dem Podium, müssten jetzt um die Sechzig sein, bis auf Claudius Dreilich, den Sänger, haben Bernd Römer, Michael Schwandt (der vom ersten Tage an auf die Trommel haut) , Christian Liebig und Martin Becker schulterlange Haare, auch von Anfang an.

Damit gab es manchmal zu DDR-Zeiten Ärger: Bei Fernsehauftritten sollten sie als „Vorbilder unserer jungen Generation“ mit gutem Beispiel und kurzen Haaren beim Sieg des Sozialismus voranschreiten, „da haben wir uns die Haare hochgebunden und eine Mütze aufgesetzt“, sagt Micha, der Drummer. Überhaupt, die Mode: Jeans waren im DDR-TV so verpönt wie lange Haare, ein Film zeigt Ausschnitte von Auftritten auf dem Alex: Karat mit blauen Sakkos und gelben Hosen.

„Und jetzt kommt der Diamant unter den Rockgruppen der DDR“ kündigte 1982 Frank Elstner das Debüt bei „Wetten dass...“ an, wie die Puhdys durften Karat in den Westen reisen. Gitarrist Bernd Römer erinnert sich an die Waldbühne: „Wenn dann plötzlich all die Feuerzeuge aufleuchten – einfach Wahnsinn!“ Wie damals werden sie im Juni ihre „Stehaufmännchen-Message Über sieben Brücken“ zum Vortrag bringen, und alle singen mit, wie beim „Blauen Planet“ „Albatros“ oder den Schwanenkönig. Peter Maffay, Matthias Reim, Helene Fischer und Jan Josef Liefers haben karatige Songs in ihrem Repertoire.

Dabei hatte die Gruppe manchen Rückschlag zu verkraften, den schlimmsten mit dem Tod des Komponisten und Sängers Herbert Dreilich im Jahr 2004. Die Truppe besann sich des schon fast zur Familie gehörenden Dreilich-Sohns Claudius, der Vaters Stimme und Aussehen geerbt hat. „Ich hab das nicht als Last empfunden, sondern als Herausforderung“, sagt der Frontmann. Wie singt er in einem Lied auf dem neuen Album? „Wir sind der Wind, in der Asche die Glut“...

Alt wie ein Baum: Fünf weitere nimmermüde Ost-Bands

Quartett ohne Maschine. Die Puhdys im Oktober 2013 bei der Vorstellung ihres letzten Albums. Dieter Birr hatte sich krankgemeldet.
Quartett ohne Maschine. Die Puhdys im Oktober 2013 bei der Vorstellung ihres letzten Albums. Dieter Birr hatte sich krankgemeldet.

© dpa

PUHDYS

Die Mähnen wehen im Bühnenwind, die Lederjacken knarzen fröhlich, die Stimmen ebenso: Viele alte Ostrockbands sind immer noch quicklebendig. Karat feiern 40-jähriges Bestehen, die Puhdys sind sogar noch eine Handvoll Jahre älter. 1969 gegründet, ist die Truppe um Sänger und Gitarrist Dieter „Maschine“ Birr auch 2015 noch ganzjährig auf Tour, in Berlin gastieren sie am 29. März im Friedrichstadtpalast.

ELECTRA

Ebenfalls seit 1969 gibt es die Band Electra, vergangenes Jahr gab die Gruppe jedoch bekannt, nach einer Abschiedstour 2015 „das Buch Electra schließen“ zu wollen. Nächste Termine in Stendal, Stollberg, Chemnitz.

CITY

Unvermindert aktiv sind auch City, die sich 1972 in Ost-Berlin gründeten. Gitarrist Fritz Puppel und Schlagzeuger Klaus Selmke sind noch immer dabei, Sänger Toni Krahl immerhin seit 1975. Die Band (Stil: Jeans und coole Glatze) ist aktuell auf Tour, meist in kleineren ostdeutschen Städten, als nächstes in Ludwigsfelde, Waren/Müritz und Brandenburg. Ab 1998 trat City auch gemeinsam mit einer anderen Ost-Kultcombo auf: Silly.

SILLY

Bei diesen Konzerten fungierte Krahl als Sänger beider Bands. Silly-Sängerin Tamara Danz war 1996 gestorben, ihre Stimme hatte Hits wie „Mont Klamott“ und „Bataillon d’Amour“geprägt. Die Gruppe, 1978 in Ost-Berlin gegründet, erlebte damit einen schweren Schlag. 2006 aber wagten die Musiker, würdig gereift, ein Comeback mit der Schauspielerin Anna Loos am Mikrofon. Zuletzt erschien 2013 das Album „Kopf an Kopf“, gerade arbeitet die Band an einer neuen Platte.

PANKOW

Und dann sind da noch Pankow, unter vielen weiteren Bands. Gründungsmitglied 1981 war Bassist Jäcki Reznicek, der 1986 abgeworben wurde und seitdem bei Silly rockt. Auch Pankow (Stil: Hüte!) spielten Jubiläumstouren, zuletzt 2011, mit dem Album „Neuer Tag in Pankow“. Aktuelle Tourtermine sind nicht angekündigt, das ist aber sicher nur eine Frage der Zeit.

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