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Foto: Annette Kögel

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Karneval in Berlin: Kamelle, Kamelle!

„Himmel, Arsch und Zwirn, wir Berliner können auch feiern!“, ruft Frank Zander. Recht hat er. Nach zwei Jahren Pause tänzeln Zehntausende im Kamelleschauer über den Ku’damm.

Riesige Brille, rote Nase, bunte Punkte im Gesicht: Die beiden Typen fallen auf unter den vielen spröden Zuschauern am Rande des Karnevalszuges. Und tatsächlich – Monika kommt aus Bonn, und ihr Begleiter Klaus aus Dresden hat schon Nachhilfe in rheinischem Karneval bekommen. So stehen die beiden ein bisschen verloren zwischen den vielen nicht zurechtgemachten Gästen des ersten Berliner Faschings nach zwei Jahren Pause am Kurfürstendamm. „Ich finde, den Berlinern fehlt ein bisschen Spirit, die meisten sind nicht verkleidet“, sagt Monika, „es könnte ein bisschen mehr Bewegung nicht schaden. Aber ihr seid auf gutem Wege.“

Auch nicht leerer als beim CSD

Immerhin. Wenn man sich vom Olivaer Platz aufmacht Richtung Ku’damm, kommen einem wegen des Sounds erst mal zwei Assoziationen. Ist das da hinter der Straßenabsperrung ein Marschmusikzug auf dem Weg zum Berlin Tattoo in die Schmeling- Halle? Oder ist es doch eine brasilianische Sambaschule, die sich verlaufen hat? Nein, es ist der Faschingszug 2016 vom Festkomitee Berliner Karneval e.V. unter dem Motto „Berlin macht Spaß!“. Von überall her strömen nun zumindest verkleidete Kinder mit grünen Jeckenmützen Richtung Feiermeile. Da ist es auf den ersten Blick nicht viel leerer am Rande als zum Start des Christopher Street Days oder vom Karneval der Kulturen. Mehrere zehntausend Besucher sind es bestimmt, 200 000 sagen die Veranstalter. Jedenfalls ist es voller, als der geneigte Berliner Straßenumzugsfan seiner Stadt bei fünf Grad zugetraut hätte.

"Ich fühle mich wie ein Kind!"

Da können Sharlyn Tuquero und Mary Hope nur müde lächeln. Die sind auf den Philippinen geboren, aber leben in Nordnorwegen. „Wir haben minus 40 Grad“, sagt die 27-jährige Mary, zeigt auf die norwegische Flagge auf dem Strickpulli. Sharlyn, auch 27, strahlt und winkt, „ich fühle mich wie ein kleines Kind, einfach toll!“ Gute Laune, geht doch. Auf dem Kurfürstendamm Ecke Wielandstraße hält jetzt der Starwagen des diesjährigen Karnevalszuges, die Nummer 45, mit offenem Oberdeck und Frank Zander drauf.

Von dort werden immer wieder so riesige Süßwarentafeln geworfen, dass man aufpassen muss, die Leckerli nicht ins Auge geschmettert zu bekommen, aber wenigstens zeigen die Karnevalisten klare Kante: Think Big. Auf einem weiteren Promiwagen rollen Charlottenburg-Wilmersdorfs Bürgermeister und Karnevalsschirmherr Reinhard Naumann vorbei, sein Zehlendorfer Amtskollege, und auch Albrecht Broemme, Präsident des Technischen Hilfswerks. Es machen auch THWler und Freiwillige Feuerwehrleute im Zug Party.

„Wir Berliner können auch feiern, Himmel, Arsch und Zwirn“, ruft Frank Zander. „Ich habe zig Songs, die Stimmung machen. Die werde ich anstimmen und die Leute aktivieren. Ich bin sozusagen der Kapitän“, hatte er zuvor gesagt. Und er trägt nun Kapitänsuniform. Nur mit dem Stimmungmachen, das ist bei dem stockenden Wagenverkehr der 50 Gefährte mit 1000 Teilnehmern über vier Kilometer Wegstrecke bis zur Nürnberger Straße gar nicht so einfach. Allerdings kann man auch in woanders allerlei Karneval erleben.

Es könnten mehr Bässe sein

Die Musiklautstärke könnte schon etwas mehr Love-Parade-Rumms haben, da fehlen die Bässe. Hoffentlich trägt der Sänger Thermounterwäsche, denken einige Beobachter, ist noch reichlich Strecke bis zur Afterzugparty am Breitscheidplatz. Die Adresse googeln die Wahlnorwegerinnen gleich mal auf ihrem Handy, „Kaiser Wilhelm Memorial Church“, und flitzen weiter. Julius, 7, und Paula, 4, bleiben da, wo sie sind. So viele Süßigkeiten auf einmal, die da im hohen Bogen geflogen kommen, das ist ja wie Geburtstag und Halloween auf einmal!

Papa Nils Schirmer hat extra noch eine Tasche besorgt, „weil die Kapazitäten der Kinder nicht mehr reichten“, die reiche Beute aber gut nach Hause getragen werden sollte. Das ist nicht weit, gleich um die Ecke, in Charlottenburg. Ihre alte Heimat ist Bremen, da gebe es so was Ähnliches wie den Karneval der Kulturen, von daher sei man eingefeiert. Janine, 30, aus Bad Kreuznach ist ebenso karnevalserprobt und hat Denise, 26, aus Spandau gleich mal mit als Schlumpf verkleidet.

Im brandenburgischen Bad Freienwalde haben es die Karnevalisten ja sogar in die Stadtverordnetenversammlung geschafft, da sitzt ein Vertreter der Wählergruppe Neuenhagener Carneval Club e. V. Präsidentin Heike und „Mitläufer“ Hartmut vom Wagen des Falkenseer Karnevalsklub haben sich mit Flüssigem gedopt, die Berliner finden sie „noch ein bisschen steif“. Heijo, die Bonner sind es aber manchmal auch. Die lustige Bonnerin mit der Brille und der roten Nase mag sich nicht fotografieren lassen. Wegen der Karriere, sie ist Juristin.

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