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Das Maskottchen Herthinho von Hertha BSC streckt den Daumen nach oben.

© Soeren Stache/dpa

125. Vereinsgeburtstag: Sternstunde in Blau-Weiß: Neue Hertha-Museumsschau eröffnet

Vor 125 Jahren wurde Hertha BSC gegründet. Mit einer Ausstellung und einem Festakt im Roten Rathaus wird das Jubiläum gefeiert.

Rotes Rathaus? Nicht an diesem Dienstagabend. Na gut, die Fassade im gewohnten Klinkerton, aber innen heißt die dominierende Farbe: Blau. Hertha-Blau! 125 Jahre Vereinsgeschichte sollen in einem Festakt zelebriert werden, da kann man wohl entsprechende Colorierung erwarten. Blau also die Decke des Treppenhauses, blauweiß sowieso die Trikots der 20 blutjungen Herthaner, die man auf den Stufen postiert hat. Vorbei an weiterem Blau geht es zum Hauptort des Jubelakts, dem Festsaal, in dem eine enorme Videowand ebenfalls das Blau des Abends feiert, wenn nicht gerade Bilder aus der Vereingeschichte darauf flimmern. Übrigens vorwiegend ein Männerabend, gesetzte Herren in dunklen Anzügen, der Altersdurchschnitt erst etwas nach unten verlagert, als kurz vor 17.00 Uhr die fein gemachte Mannschaft den Saal betritt und rechts von der Videowand Platz nimmt. Weibliches nur hier und da.

Übliche Ballwechseldauer hatte Moderator Johannes B. Kerner zu Beginn versprochen, aber dieses Spiel ging dann doch in die Verlängerung. Das Programm war eben zu vollgestopft für 90 Minuten. Allein die Reden, meist lobpreisend bis hymnisch, mit nachdenklichen Zwischentönen. Es gab derer vier: von Hertha-Präsident Werner Gegenbauer erst, der den Verein als „ein großes Stück Berlin“ sah, mit einer Geschichte „abwechslungsreich wie das Leben“; vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller („Hertha ist auch Heimat“), der besonders die Aufarbeitung auch der dunklen Seiten der Vereinsgeschichte lobte und das Jubiläumsmotto „Die Zukunft gehört Berlin“ in „Die Zukunft gehört Hertha“ umdichtete. Sodann Reinhard Rauball, Präsident des Ligaverbandes, der auch viel Nettes sagte, und schließlich Wolfgang Huber, ehemals Berliner Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hier nun in der Funktion als als Kuratoriumsmitglied der Hertha-Stiftung. Er gab auch Mahnendes und Kritisches zum modernen Fußball, die Kommerzialisierung etwa, zu bedenken und erntete dafür manchen Zwischenbeifall.

„Hauptstadtfußball. 125 Jahre: Hertha BSC & Lokalrivalen“

Aber die Reden waren nicht alles. Immer wieder wurden Filme dazwischen geschoben und so die Herthageschichte im Eildurchlauf vor den Gästen abgespult, mit Otto Rehhagel als humoristischem Höhepunkt beim Absingen von „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“. Auch besondere Gäste wurden von Kerner auf die Bühne geholt oder kurzerhand in den Sitzreihen begrüßt, verdiente Herthaner oder sonst wie dem Verein verbundene Ballkünstler, der Arne Friedrich etwa und der Jürgen Klinsmann, Hertha-Legende Erich „Ete“ Beer oder Hanne Sobeks Sohn David. Auch Manager Michael Preetz und Trainer Pál Dárdai wurden befragt, die Mannschaft dagegen, nicht ganz unwichtig fürs sportliche Vorankommen, hatte offenbar niemand erwogen aufs Podium zu bitten.

Für Erich „Ete“ Beer, Hertha-Spieler von 1971 bis 1979, war es bereits der zweite Auftritt in Sachen Vereinjubiläum an diesem Tag, den ersten hatte er am späten Vormittag im nahen Ephraim-Palais, und der ging so: „Auspfeifen gehört dazu!“ Beer kennt da keine Gnade, und gehe es gegen die eigene Mannschaft. Schlecht gespielt, verloren und trotzdem in der Fankurve bejubelt werden? Hat es bei ihm damals noch nicht gegeben. Da musste man eher damit rechnen, dass beim nächsten Spiel gleich mehrere 1000 Zuschauer weniger kamen. Heute habe der Event-Charakter eines Spiels stark zugenommen, da werde trotz Niederlage bejubelt, das findet er nicht gut.

Bernd Schiphorst (hinten), Aufsichtsratsvorsitzender von Hertha BSC, betrachtet im Ephraim-Palais auf einem Monitor eine Video-Präsentation.
Bernd Schiphorst (hinten), Aufsichtsratsvorsitzender von Hertha BSC, betrachtet im Ephraim-Palais auf einem Monitor eine Video-Präsentation.

© Soeren Stache/dpa

Kleiner persönlicher Blick in die Vergangenheit, im Rahmen einer ganz großen Rückschau, bis ins späte 19. Jahrhundert reicht sie: „Hauptstadtfußball. 125 Jahre: Hertha BSC & Lokalrivalen“, die abends nach dem Festakt eröffnete Ausstellung des Stadtmuseums zum Vereinsjubiläum – und Erich „Ete“ Beer wieder mittenmang, leibhaftig – und als einer der elf herausragenden Herthaner, denen sich die in wiederum elf Kapitel gegliederte Retrospektive in besonderer Weise nähert, samt großem Konterfei und Abriss der Karriere. Spieler wie Funktionäre sind in dieser imaginären Mannschaft versammelt, vorneweg Ernst Wisch, Geburtshelfer der Vereinsgründung, weil er als einziger der Gründungsmitglieder schon volljährig war, und dann auch gleich der erste Vorsitzende. Auch Helmut Schön, der spätere Bundestrainer und Weltmeister von 1974, ist darunter, 1950 nach Abwicklung seines Dresdner Vereins mit weiteren Vereinskameraden zu Hertha geflüchtet, woraufhin die DDR den West-Berliner Verein von „Interzonen“-Wettkämpfen ausschloss. Und auch das Schicksal des jüdischen Mannschaftsarztes Hermann Horwitz ist nicht vergessen, der 1943 nach Auschwitz deportiert wurde.

Dieser Start ist sicher im Sinne der Gründer

Die Ausstellung geht auf eine Initiative von Hertha zurück, die Anfrage von Bernd Schiphorst, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, stieß bei Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums, auf offene Ohren, obwohl der sich eher den Farben Rot-Weiß, denen von Ajax Amsterdam, verschrieben hat. Für diesen Verein war der Niederländer in seiner Amsterdamer Zeit schon wiederholt tätig gewesen, bei Ausstellungen wie auch dem Vereinsmuseum. Die Zusammenarbeit von Museum und Verein wurde bei der Vorstellung der Ausstellung über die Maßen gepriesen, die Kuratoren Stella Di Leo und Sebastian Ruff konnten sogar auf tatkräftige Hilfe der Fans setzen. Von den 125 gezeigten Objekten stammt ein Drittel aus Fan-Beständen.

Ein Objekt der Fan-Kultur steht gleich am Anfang. Dieser Start ist sicher im Sinne der Gründer, wurde doch als Zweck des Vereins im ersten Vereinsstatut „die Pflege des Fußballspielens und der Geselligkeit“ festgeschrieben. Und von der zeugt die ausgestellte, über und über mit Aufnähern gepflasterte Fankutte auf jeden Fall, sie mögen die Freundschaft zum FC Bayern München preisen oder die zum 1. FC Union („Auch die Berliner Mauer kann uns nicht trennen“) – oder aber den „Scheiß Schalke 04“ schmähen.

Ausgehend von diesem kunterbunten Kleidungsstück geht es chronologisch über drei Etagen bis in die Zukunft, mündet unterm Dach in eine auf dem Bildschirm abrufbare, per Klick vom Publikum kommentierbare Kollektion von futuristischen Möglichkeiten des Ballsports: Sollten etwa die Spieler per Knopf im Ohr mit der Trainerbank verbunden sein? Wären digitale Schiedsrichter ratsam? Spielerkameras, um daheim die Zweikämpfe hautnah erleben zu können?

Interessen und Wünschen der Fans

Zukunftsträume, vielleicht auch -alpträume, vor 125 Jahren nicht im Geringsten vorstellbar. Da musste man sich eher sorgen, wo man einen vernünftigen Fußball herbekommt, war offiziell noch angefeindet ob der „englischen Krankheit“, als die das von dort importierte Bolzen verschrieen war. Aber die Lust am Wettkampf griff bald um sich, und die seit Turnvater Jahr propagierten Leibesübungen traten gegenüber der Kickerei als Volkssport in den Hintergrund. Hertha lag da mit der Vereinsgründung klar im Trend.

Mit dem Feiern der herausragenden Stellung in Berlin, die der Verein über weite Phasen der 125 Jahre innehatte, kommt die Ausstellung sicher den Interessen und Wünschen der Fans entgegen, doch ist sie mehr als nur ein Jubel in Blau-Weiß, schon weil sie auch den im Laufe der Jahrzehnte wechselnden Konkurrenten Platz einräumt. Zugleich aber würdigt sie die Vereins- als Teil der Stadtgeschichte, in guten wie in schlechten Zeiten. Sehr schlechte Zeiten brachen etwa am 13. August 1961 an, als der Mauerbau dem Verein die Ost-Berliner Fans nahm. Nun waren sie von den Spielen ausgeschlossen, auch wenn sie den Blauweißen innerlich verbunden blieben und teilweise – einige Dankeskarten sind ausgestellt – auch mit Weihnachtspäckchen bedacht wurden. Und auch über die Vereinsgrenzen hinweg hielten sich die Fußballfreunde die Treue, wurde in Aufnähern die Verbundenheit von Blau-Weiß und Rot-Weiß, von Hertha und Union beschworen. Hauptstadtfußball eben.

Ephraim-Palais, Poststraße 16 in Mitte, bis 7. Januar (Di, Do-So 10 – 18 Uhr, Mi 12 – 20 Uhr). Eintritt 6 , erm. 4 Euro. Katalog 4 Euro. Diesen Mittwoch Eintritt frei. Es gibt ein Begleitprogramm, darunter jeden Sonntag, 16 Uhr, eine Führung mit einem professionellen Guide und einem Fan. Audio-Guides gibt es diesmal nicht. Mehr unter www.hauptstadtfussball.berlin

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