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Berlin-Blockade: Tagesspiegel erscheint trotz Krise

In der Blockadezeit ist das Papier rationiert, Artikel entstehen bei Kerzenlicht Die einzige unabhängige Zeitung erscheint trotzdem: der Tagesspiegel.

Bitterkalt ist dieser Winter, Berlin liegt im Dunkeln. Strom gibt es nur zwei Stunden täglich. Die Kerze wirft einen blassen Schein auf Manuskriptseiten in der Redaktion des Tagesspiegels. Der ist in diesen ersten Tagen der Berlin-Blockade im Jahr 1948 die einzige unabhängige Zeitung Berlins, denn die Morgenpost darf noch nicht erscheinen. Das Blatt ist schneller vergriffen als der Verlag Exemplare drucken kann – obwohl der Tagesspiegel nur vier Seiten hat für den Nachrichtenstoff aus aller Welt. Denn das Papier kommt über die Luftbrücke. Zwischen Kohlesäcken und Trockenmilch liegt es mit Ersatzteilen für die Druckmaschine und Druckerschwärze in den Frachträumen der Rosinenbomber.

Klaus-Dietrich Gurezka ist damals 20 Jahre alt und Volontär in dem Verlagshaus an der Potsdamer Straße. Der 100. Tag der Blockade ist der erste Arbeitstag des späteren DDR-Korrespondenten. Daran erinnert er sich nicht nur wegen der runden Zahl so genau, sondern auch wegen der täglichen Rubrik im Blatt: In der Überschrift ist der Blockadetag beziffert – in Berlin beginnt eine neue Zeitrechnung, seitdem die Russen die Stadt vom Westen Deutschlands abschnüren. Man zählt nicht nur die Tage, sondern auch die Maschinen mit ihrem dumpfen Grollen am Himmel über Berlin. Als sich deren Zahl von Tag zu Tag steigert, hebt das auch die Stimmung in der Stadt. Im Winter erreichen täglich schon mehr als 1000 Rosinenbomber Berlin. Der Volontär erhält 150 Mark im Monat, 60 davon sind DDR-Mark, 90 Deutsche Mark. Denn Gurezka wohnt in Adlershof, er ist Grenzgänger. Der Tagesspiegel ist zwar im Ostteil der Stadt verboten, der Grenzübertritt aber ist noch erlaubt.

Für die Berichte ist nicht viel Platz: Eine zweistündige Pressekonferenz wird schon mal auf sechs Zeilen abgefeiert. Meldungen aus Kultur, Wirtschaft, Politik und Sport sind wie Kraut und Rüben über die vier Seiten verstreut. Erik Reger, einer der vier Blattgründer, die eine Lizenz von den Amerikanern erhalten haben, findet das gut. „Er dachte, dann geht der Leser das ganze Blatt von oben bis unten durch, um etwas von Interesse zu finden“, erzählt Klaus-Dietrich Gurezka.

Täglich erscheinen zwei Ausgaben des Tagesspiegels: Die Druckvorlagen für die Ausgabe, die in Westdeutschland verkauft wird, sind um 12 Uhr mittags fertig, werden nach Frankfurt geflogen und dort gedruckt. Nur ein Mal erscheint diese Ausgabe nicht, weil die Maschine wegen schlechten Wetters nach Marseille umgeleitet wird. Die Berliner Auflage des Tagesspiegels wird nach Mitternacht im Ullsteinhaus in Tempelhof gedruckt. Die Druckmaschinen sind zusammengeschustert aus Bauteilen, die den Bombenhagel überstanden und Ersatzteilen, die Berlin über die Luftbrücke erreichen. Begehrt war der Tagesspiegel nicht nur wegen seiner Meldungen: „Zeitungen waren auch als Verpackungspapier gefragt“, sagt der frühere Geschäftsführer Christian Hädler. 

So berichtete der Tagesspiegel über die Krise in Berlin

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