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Seit März 2015 krönt ein 1,6-Liter-DIG-T-Turbo-Benzindirekteispritzer mit 140 kW (190 PS) das Motorenprogramm des neuen Pulsar, der auf dem Pariser Automobilsalon Premiere feierte und die Rückkehr von Nissan in das klassische C-Segment markiert.

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Praxistest Nissan Pulsar 1.6 DIG-T: Die Middlesizing-Masche

Die schlauen Japaner haben sich dafür was Schlaues ausgedacht: Sie bieten ein Auto an, das sie in der exklusiven Nische der Nische platzieren. Ein weiterer Konkurrent in der beliebten 150-PS-Klasse? Nein! Ein GTI gar mit 200 oder mehr PS? Nein! Sie siedeln ihren stärksten Pulsar zwischen drin an – wo es bislang nur ganz wenige Konkurrenten gibt.

So ändern sich die Zeiten. Galten 115 PS vor Jahren noch als angemessene Motorisierung für einen Kompakten, so bekritteln diese heutzutage mehr als nur einige Fahrer als „mangelnde Leistung“. Zum Beispiel beim neuen Nissan Pulsar, dessen nur 1,2 Liter großer Downsizing-Turbobenziner es auf 115 PS bringt. Immerhin 4000 Stück von dem Kompakten haben die Japaner seit seiner Markteinführung im Oktober vergangenen Jahres hierzulande verkauft. Ein Achtungserfolg nach Jahren der Abstinenz in der Kompaktklasse. Doch wer bislang mehr Leistung in diesem Auto wollte, musste auf andere Marken ausweichen. Nun hat Nissan nachgelegt, und bietet ab sofort einen stärkeren Benziner an.

Das neue Understatement

Folgerichtig hätten die Nissan-Leute für den neuen Pulsar die nächste Ausbaustufe mit 163 PS wählen können, die es von dem 1,6er bereits im erfolgreichen Qashqai gibt und die demnächst auch in den größeren X-Trail kommt, aber sie haben das Naheliegende nicht getan. Statt dessen wählten sie die 190-PS-Version dieses Vierzylinders, der bereits den Crossover Juke Nismo antreibt. Nissan hat sich bewusst für den großen Leistungssprung entschieden, weil die Japaner damit (fast) ein Alleinstellungsmerkmal in der Kompaktklasse besitzen. Der stärkste Pulsar soll kein sportlich angehauchter Kompakter sein wie ein Ford Focus mit 182 PS oder ein Seat Leon mit 180 PS, auch kein ausgewiesenes Sportmodell sein wie der Kia Ceed GT mit 204 PS oder der Peugeot 308 GT mit 205 PS, kein VW GTI mit 220 PS, schon gar kein Kravallo wie der künftige Über-GTI, der VW Golf mit 420 (?!) PS, sondern „nur“ ein starker Kompakter für Papi, welcher den Rest der Familie nicht verschreckt.

Als klassische Kompakt-Limousine konzipiert, zeigt das Design des Pulsar bewusst Gestaltungsmerkmale der Crossover-Modelle Qashqai und X-Trail. So auch die ausgestellten Radhäuser, zwischen denen sich die Taille fließend verjüngt.
Als klassische Kompakt-Limousine konzipiert, zeigt das Design des Pulsar bewusst Gestaltungsmerkmale der Crossover-Modelle Qashqai und X-Trail. So auch die ausgestellten Radhäuser, zwischen denen sich die Taille fließend verjüngt.

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Clever. Deshalb kommt der 190-PS-Pulsar auch optisch nicht aufgemotzt daher. Interessant: Korea-Konkurrent Hyundai verfolgt ab sofort eine ähnliche Linie, bietet erstmals einen Turbo im i30 an, einen 1,6-Liter-Vierzylinder mit 186 PS, der als Fünftürer 23850 Euro kostet. Understatement als Verkaufsanreiz? Ob diese Taktik Schule macht?

Der stärkste Pulsar tritt fast so unauffällig auf wie die 75 PS schwächere Version. Dieser Logik entsprechend verzichtet der 190-PS- Pulsar bewusst auf Sportfahrwerk, Sportsitze und Sportoptik. Die Unterschiede zum Butter-und-Brot-Modell sind geringer als bei den anderen sportlich angehauchten Kompakten: Außen zieren den Nissan spezielle 18-Zoll-Räder, schwarze Einfassungen der serienmäßigen LED-Scheinwerfer. Innen Carbon-Zierteile und weiße Nähte an Lederlenkrad und Schaltknauf.

Viel Platz- und Fahrkomfort

Das war es schon. Und das ist gut so, denn die sparsam verteilte sportliche Attitüde und recht kommode Federung überträgt sich auf den Fahrer. Man fährt gelassen, weiß, dass bei Bedarf die Fuhre richtig abgehen kann, und man hat vor allem mit voller Besatzung auf Autobahnstrecken genügend Reserven im Maschinenraum. Und für die 217 km/h Spitze sowie die 7,7 Sekunden für den Sprint von Null auf Tempo 100 muss man sich am Stammtisch auch nicht schämen.

Durch einen der längsten Radstände seiner Klasse (2.700 mm) und das cleverere Innenraumlayout bietet der Pulsar den Fondpassagieren den am großzügigsten bemessenen Knieraum (692 mm) im Segment.
Durch einen der längsten Radstände seiner Klasse (2.700 mm) und das cleverere Innenraumlayout bietet der Pulsar den Fondpassagieren den am großzügigsten bemessenen Knieraum (692 mm) im Segment.

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Es ist also konsequent, dass der Power-Pulsar nichts von seiner Alltagstauglichkeit verloren hat. Es besitzt nach wie vor einen der größten Innenräume der Kompaktklasse, er besitzt nun ein verbessertes Fahrwerk mit ausgewogener Balance zwischen Sportlichkeit und Komfort, und er besitzt jetzt einen kräftigen Motor, der mehr kann als nur fauchen und sprinten. Das Triebwerk stemmt ordentliche 240 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle, und das in einem Bereich von 1600 bis 5200 Touren. Dieser bemerkenswerte Drehmomentberg sorgt für kräftigen Durchzug, so dass der Vierzylinder sich im Alltag sehr elastisch fahren lässt. Er gibt nicht den nervösen Hochleistungsmotor. Das passt zum Pulsar, mit dem man weniger Kurven räubert als viel mehr lange Strecken souverän zurück legt.

Die exklusive Nische

Das Triebwerk agiert leise und vibrationsarm. In der Stadt kann im vierten Gang des exakt schaltbaren Sechsganggetriebes – eine Automatik wird es für diesen Pulsar nicht geben –  bei 1400 Touren bequem im Verkehr mitgeschwommen werden. Es kann aber auch fröhlich bis 6000 Umdrehungen pro Minute hochgejubelt werden. Der versprochene Normverbrauch von 5,7 Litern ist natürlich eine Illusion; bei unserer Testfahrt flossen zwischen 6,3 und 8,1 Liter durch die Einspritzdüsen. Das geht schon in Ordnung.

Und der Preis? Die Version Pulsar Acenta kostet 24190 Euro. Das sind stramme 3610 Euro mehr, als für den Acenta mit 75 PS weniger bezahlt werden müssen. Und gar 26990 Euro sind für das Topmodell Pulsar Tekna zu zahlen. Das klingt nach viel, relativiert sich aber durch die sehr gute Serienausstattung mit Connect Navigationssystem, 360-Grad-Sicherheits-Rundumsicht, Ledersitzen und 18-Zoll-Alurädern. Unterm Strich ein angemessener Preis.

Zehn Prozent der Pulsar-Käufer dürften sich laut Nissan-Verantwortlichen für die 190-PS-Version entscheiden. Das wären weniger als 800 Autos jährlich – und damit ein wirklich exklusiver Kreis in einer exklusiven Nische. Aber vielleicht findet diese Masche künftig weitere Nachahmer?

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