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Soziale Netzwerke spielen in Wahlkämpfen immer größere Rolle.

© AFP

Soziale Netzwerke im Wahlkampf: Wahlplakate verlieren an Bedeutung

Wahlkampf ohne Twitter, Facebook und Co. ist in den USA nicht vorstellbar. Die deutschen Parteien sondieren das Terrain.

Der US-Wahlkampf wäre ohne Social Media ein anderer gewesen. Donald Trump hat sich über seine Tweets immer wieder direkt an seine Anhänger gewandt sowie den Medien neues Material geliefert. Hillary Clinton gab selten Interviews, war aber über Twitter, Facebook oder Instagram ständig mit ihren Botschaften präsent, auch um vor allem junge Wähler zu erreichen. Denn: In den USA haben sich laut Pew Research Center rund 35 Prozent der Millenials, der 19- bis 30-Jährigen, rein über Social Media über den Präsidentschaftswahlkampf informiert.

Entsprechend sind die Zahlen: Bei Facebook „liken“ zwölf Millionen Nutzer die Seite von Donald Trump, acht Millionen die von Hillary Clinton. Bei Instagram folgen beiden rund 2,8 Millionen Menschen, bei Twitter kommt Clinton auf zehn Millionen, Trump auf knapp 13 – wobei beide Kandidaten Social Bots einsetzen, als User getarnte Computerprogramme. Diese können in Sekunden tausende Tweets absetzen und so die Stimmung im Netz stark beeinflussen.

Bots sind für Laien kaum von normalen Usern zu unterscheiden. Ihr Einsatz hat den Wahlkampf weiter polarisiert, sie sollen in Deutschland 2017 nicht eingesetzt werden. Jedenfalls nicht bei den etablierten Parteien, die vor einer weiteren Zuspitzung der Debatten warnen. In der AfD wurde erst „Ja“, dann „Nein“ zu Bots gesagt. Fakt ist aber, dass auch hierzulande soziale Netzwerke zentraler Bestandteil des Wahlkampfs sein werden.

Social-Media-Schwergewichte sind wichtig

Besonders wichtig für den politischen Bereich ist Twitter. „Dort erreiche ich zwar nicht die breite Masse, aber viele für die Politik wichtigen Entscheider“, sagt Martin Fuchs, Politikberater und Blogger. Er hat im US-Wahlkampf Trends ausgemacht, die auf Deutschland mit Abstrichen übertragbar sind. „Der Social-Media-Wahlkampf ist kein Solitär mehr, sondern verzahnt mit allen anderen Aktivitäten. Es findet eine Integration statt“, sagt er. Ein Beispiel dafür seien spielerische Ansätze. So konnte man über Apps für das Teilen von Posts oder Tweets Punkte sammeln. Wer die meisten Punkte hatte, bekam beispielsweise die Chance, Clinton live zu treffen. Wichtig, auch für Deutschland, sei die Einbindung von „Online-Influencern“. Das sind Personen, die sehr viele Follower oder Facebook-Freunde haben und so als Multiplikatoren wirken. „Online-Influencer haben eine neue Gatekeeper-Funktion“, sagt Fuchs. Heißt: „Wer keine Social-Media-Schwergewichte zu seinen Unterstützern zählt, hat bei bestimmten Zielgruppen ein Problem.“ Popstar Katy Perry hat Wahlkampf für Clinton gemacht, allein indem sie Tweets der Kandidatin retweetete und so unter ihren 94 Millionen Followern verbreitete.

Für Robert Heinrich, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen bei den Grünen, ist es keine Frage: „Das Internet ist zum Schlüsselmedium geworden, so wichtig wie Fernsehen und Plakat.“ Ein „beträchtlicher Anteil des Wahletats“ werde in den Bereich Online fließen. Facebook und Youtube nennt Heinrich als „reichweitenstarke Plattformen, auf denen sich Millionen Wähler täglich unterhalten und auch informieren“. Twitter dagegen sei „vor allem eine Plattform für Multiplikatoren“. Spannend, um Themen zu setzen, aber weniger, um Wähler direkt zu erreichen.

Der Online-Dialog ist effektiver als Wahlplakate

Soziale Netzwerke sind auch hierzulande „der Schlüssel“, um neue junge Wählergruppen zu erschließen, so sieht es der FDP-Politiker und Ex-Piraten-Chef Bernd Schlömer. Da unterscheide sich Deutschland nicht von den USA. „Der Königsweg“ ist für ihn die „direkte Kommunikation von Maus zu Maus“, und das funktioniere vor allem, wenn eine „persönliche Situation geschaffen“ werde. „Trump“, so sagt Schlömer, „gelingt das“. Auch wenn sich bei der Lektüre vielen die Nackenhaare hochstellen: Die Tweets des Amerikaners seien authentisch – das sichere den meisten Erfolg.

Hendrik Thalheim, früherer Sprecher der Linkspartei, setzt vor allem auf „noch mehr Austausch“ mit den Menschen über Social Media. Der Online-Dialog mit dem Wähler ersetze zwar nicht den Straßenwahlkampf und den von Tür-zu-Tür, der seiner Ansicht nach sogar noch wichtiger wird (und auch in den USA extrem ausgeprägt ist). Aber in der Wählerbindung effektiver als Flyer oder Wahlplakate sei er allemal. Eine Einschätzung, die Thomas Jarzombek, Sprecher der Unionsfraktion für die Digitale Agenda, teilt. Jedoch, sagt der CDU-Politiker: „Man muss das eine tun und das andere nicht lassen.“ Verzichte man auf Wahlplakate, würde einem das – auch von der eigenen Anhängerschaft – rasch als Arroganz ausgelegt.

Social-Media-Erfolg der AfD ist relativ

Abgesehen davon, dass immer mehr Menschen Social Media als Informationsquelle nutzen, gibt es noch einen Grund für die Offenheit der etablierten Parteien: die AfD. Allein die Facebook-Seite der Bundespartei hat mehr als 300 000 Fans, sehr viel mehr als alle anderen Parteien. Politikberater Fuchs relativiert zwar den Social-Media-Erfolg: „Die AfD ist nur auf Facebook aktiv und interagiert dort nicht viel, sondern erreicht nur ihr Stammpublikum. Das mag bis zur Bundestagswahl tragen, aber spätestens danach reicht das nicht mehr.“ Trotzdem beobachten die Parteien das genau. „Dem muss man etwas entgegensetzen“, sagt Thalheim. Die AfD „verbreitet auf Social Media Inhalte, die stark von der Wirklichkeit abweichen“, sagt Jarzombek, „die aber trotzdem starken politischen Druck aufbauen“. Und wie begegnet man dem? „Man muss Botschaften verdichten, sorgfältiges Erklären funktioniert da leider weniger“, meint er.

Bei der AfD selbst sieht man das anders. Pressesprecher Christian Lüth, einst FDP, sagt zum Erfolg auf Facebook: „Wir decken das Informationsbedürfnis vieler Menschen, die sich durch die Mainstreammedien falsch informiert fühlen. Deshalb kommen sie zu uns.“ Polarisierung sei sicherlich manchmal auch eines der Werkzeuge der AfD, aber: „Wir sprechen die Dinge klar an und drücken das Bauchgefühl der Menschen aus.“ Etwas mehr Polarisierung hält Hendrik Thalheim sogar für wünschenswert. Klar sei: War Social Media „bei der letzten Bundestagswahl noch eher schmückendes Beiwerk“, werde man 2017 eine „Kampagne haben, die stark online geführt wird“.

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