zum Hauptinhalt
Lobbyisten helfern u.a. Botschaftern, sich im unübersichtlichen politischen Berlin zurechtzufinden.

© Reuters

Lobbyarbeit für ausländische Regierungen: Mit heiklem Auftrag

Sie versuchen, das Image ihrer Kunden aufzubessern, oder helfen in einer Krisensituation: Lobbyisten für ausländische Regierungen. Manchmal ist ihre Arbeit aber eine Gratwanderung.

Ein Jahr nach dem Beitritt zur Europäischen Union hatte Bulgarien plötzlich ein großes Problem. Die EU-Kommission fror Fördergelder in Höhe von knapp 500 Millionen Euro ein, weil das neue Mitgliedsland aus ihrer Sicht zu wenig im Kampf gegen Korruption tat. In Brüssel fürchtete man, das Geld könne in dunklen Kanälen versickern. Bulgarien engagierte daraufhin die Lobby-Kanzlei Alber & Geiger, die Büros in Brüssel und Berlin hat. „Oft werden wir erst gerufen, wenn es schon brennt“, sagt Andreas Geiger, Managing Partner der Kanzlei. Die Lobbyanwälte übernahmen im Auftrag Bulgariens die Verhandlungen mit der EU. Sie argumentierten, man könne nicht ausgerechnet die Gelder sperren, mit denen Institutionen aufgebaut werden sollen, die auch dem Kampf gegen Korruption dienen. „Das hat allen Beteiligten eingeleuchtet.“ Zunächst gab die EU einen Teil des Geldes wieder frei, später alles.

In Brüssel, aber auch in Washington oder London, ist die Beratung ausländischer Regierungen durch PR-Agenturen oder Anwaltskanzleien längst Alltagsgeschäft. „In Deutschland gibt es diesen Markt erst seit ungefähr fünf Jahren“, sagt Wigan Salazar, CEO von MSL Germany.

Aufträge werden nur selten ausgeschrieben

Auftraggeber können Botschaften, Staatskanzleien oder Ministerien sein. In den meisten Fällen wird der Auftrag nicht öffentlich ausgeschrieben, Agentur und Kunde finden über Empfehlungen zueinander. Wie das Beispiel Bulgarien zeigt, betreiben keineswegs nur PR-Agenturen, sondern auch Anwaltskanzleien Lobbyarbeit für staatliche Akteure aus dem Ausland.

Grundsätzlich konzentriert sich die Tätigkeit der Lobbyisten auf zwei große Bereiche: zum einen die Lobbyarbeit gegenüber Regierungen und Parlamenten, mit der die Position des jeweiligen Staates vor Vertragsabschlüssen oder bei relevanten Gesetzesinitiativen vertreten und allgemein die Interessen des Staates in politische Prozesse eingebracht werden. Das zweite große Aufgabenfeld richtet sich an die Öffentlichkeit und vor allem die Medien des Ziellandes: Hier geht es darum, das Image eines Staates anlässlich eines bestimmten Ereignisses zu verbessern und dessen Interessen einer größeren Öffentlichkeit zu vermitteln.

Katar, Bahrain und Kasachstan engagierten Lobbyisten

Zu den Kunden der professionellen Lobbyisten in Berlin gehören auch Länder, die aus gutem Grund ein größeres Imageproblem haben. Die Führung des Staates Bahrain soll sich nach der Niederschlagung von Protesten während des Arabischen Frühlings PR-Berater in Deutschland gesucht haben. Das Emirat Katar, das sich mit zahlreichen Negativschlagzeilen vor der Fußball-WM 2022 konfrontiert sieht und noch dazu in den Verdacht geriet, islamistischen Terrorismus zu unterstützen, beauftragte eine Agentur in Berlin mit der Imageverbesserung. Marokko ließ sich von Lobbyanwälten helfen, als ein vor dem Abschluss stehendes Fischerei- und ein Agrarabkommen mit der EU wegen des ungeklärten völkerrechtlichen Status der Westsahara in Gefahr schienen. Nachdem das autoritär regierte Kasachstan im Jahr 2010 den OSZE-Vorsitz übernahm, schickten PR-Leute Hochglanzprospekte über das Land in die Redaktionen und luden zu Journalistenreisen ein.

Nur wenige andere Länder haben in Europa allerdings so viel in die Lobbyarbeit investiert wie das ebenfalls autoritär regierte Aserbaidschan. Das Regime in Baku wollte vor dem Eurovision Song Contest 2012 für sich Werbung machen und sich den Europäern zugleich als wichtiger Energielieferant präsentieren. Fast jedes Mal, wenn im politischen Berlin über PR-Arbeit für ausländische Regierungen geredet wird, kommt das Gespräch auf die Agentur Consultum Communications, die rund um den Song Contest massiv Lobbyarbeit für Aserbaidschan machte.

Geschäftsführender Gesellschafter von Consultum ist der frühere „Bild“-Chefredakteur Hans-Erich Bilges. Beiratsvorsitzender ist der ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte, früher saß auch Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher im Beirat. Heute arbeitet Consultum nicht mehr für Aserbaidschan (und nach Angaben von Bilges derzeit auch nicht für andere Regierungen oder Botschaften). Allerdings fühlen sich Bilges und der frühere Berliner Regierungssprecher Michael-Andreas Butz, der sich bei Consultum um die Aserbaidschan-Arbeit kümmerte, dem Land offenbar weiter verbunden: Bilges ist Vorstandsmitglied des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums, Butz Geschäftsführer. Dies sei „ein ausschließlich privates und unentgeltliches Engagement“, betont Bilges.

Debatte über ethische Grundlagen der Lobbyarbeit

In anderen Ländern Europas gab es längst eine Debatte über ethische Grundlagen der Lobbyarbeit. Britische Journalisten enthüllten 2011, dass die renommierte PR-Firma Bell Pottinger gegenüber vermeintlichen Interessenten aus Usbekistan nicht nur mit besten Kontakten in die Downing Street warb, sondern auch anbot, mithilfe „dunkler Künste“ negative Berichterstattung im Netz zu beseitigen. Wikipedia-Seiten und Google-Suchergebnisse könnten manipuliert werden, so das Versprechen. Mittlerweile haben sich zahlreiche große internationale PR-Firmen auf Grundsätze im Umgang mit Wikipedia-Artikeln verständigt. Sie verpflichteten sich im Juni zur Einhaltung der Regeln der Online-Enzyklopädie, besonders im Hinblick auf „Interessenkonflikte“.

Aus Salazars Sicht kann eine deutsche Agentur durchaus für Länder arbeiten, die nicht Europas demokratische Standards erfüllen, sofern das Mandat klar geregelt ist. Die Vorstellungen beider Seiten gingen oft sehr weit auseinander, dies sei eine Gratwanderung. „Ein großer Teil der Arbeit besteht darin, zu erklären, wie in Deutschland das Mediensystem und das politische System funktionieren“, sagt der MSL-Chef. Ein Berater sei kein „Umsetzer“, sondern ein „Übersetzer“, betont Salazar. „Man sollte deutlich sagen: So weit können wir gehen, und das können wir machen. Gerade was Geldflüsse angeht, muss man sehr klare Grenzen setzen.“

Wachsender Markt für Staats-PR in Deutschland

Brancheninsider sehen derzeit grundsätzlich einen wachsenden Bedarf ausländischer Staaten, sich auch in Deutschland professionelle Unterstützung in der Außendarstellung und im Lobbying zu suchen. In manchen kleineren Botschaften fehlen die Expertise oder die Kontakte, sich im unübersichtlichen politischen Berlin zurechtzufinden. Lobbyisten dienen dabei als Türöffner – kein Wunder, dass unter ihnen einige Ex-Politiker und Ex-Journalisten sind.

Doch wie groß dieser Markt in Berlin wirklich ist, wissen nicht einmal diejenigen, die seit Jahren selbst in der Branche tätig sind. Wer in Berlin im Auftrag welcher Regierung politische Lobbyarbeit macht, bleibt im Dunkeln – anders als in den USA. Dort sind Lobbyisten, die für ein anderes Land tätig sind, verpflichtet, regelmäßig Angaben über ihre Auftraggeber, die Art ihrer Tätigkeit und sogar die Höhe der Bezahlung zu machen. Auf EU-Ebene gibt es zwar kein verpflichtendes, aber ein freiwilliges Transparenzregister. Die Dokumente aus beiden Registern sind für jeden öffentlich einsehbar – und durchaus aufschlussreich auch für deutsche Beobachter.

Auch Russland beschäftigt PR-Berater

Russland engagierte bereits im Jahr 2006 die große internationale PR-Firma Ketchum. Allein von Dezember 2013 bis Mai 2014 erhielt Ketchum in den USA etwa 1,5 Millionen Dollar vom russischen Staat, rund 2,5 Millionen Dollar kamen im selben Zeitraum vom Energiekonzern Gazprom, den der russische Staat kontrolliert. In Brüssel arbeitet die Agentur GPlus Europe im Auftrag von Ketchum für Russland. Wie aus den Angaben im EU-Transparenz-Register hervorgeht, erhielt GPlus im Jahr 2013 für Lobbyarbeit in Brüssel zugunsten Russlands zwischen 100.000 und 150.000 Euro, hinzu kamen 300.000 bis 350.000 Euro von Gazprom Export. Auch von Berlin aus macht GPlus Lobbyarbeit für Russland.

Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, lieferten sich GPlus Europe und die Agentur Aspect Consulting, die damals von Brüssel aus die Regierung in Tiflis vertrat, einen regelrechten PR-Krieg. Heute, im Konflikt um die Ukraine, kann von einem Krieg der PR-Agenturen keine Rede mehr sein. Die ukrainische Regierung bringt ihre Positionen zum Krieg im Osten des Landes lieber selbst an die Öffentlichkeit, gleichzeitig werben mehrere Nichtregierungsgruppen und Initiativen ebenfalls für die ukrainische Sicht. Russland wiederum setzt heute mehr und mehr auf staatseigene Medien wie den Sender RT (früher Russia Today), der in der vergangenen Woche in Deutschland mit einem Internetauftritt in deutscher Sprache gestartet ist und als Sprachrohr der russischen Propaganda gilt.

Mit einem Lobbyregister gegen "schwarze Schafe"?

Anders als in Washington oder Brüssel wird die Branche der Staats-PR-Leute in Berlin eher mit Skepsis gesehen. „In der öffentlichen Wahrnehmung kommt die Branche in Deutschland leider nur schwer aus der Grauzone heraus“, sagt Geiger. Dagegen könne nur mehr Transparenz helfen. Gegen ein Lobbyregister hat Wigan Salazar im Prinzip nichts einzuwenden – allerdings nur, wenn auch wirklich alle mitmachen: „Wenn das reguliert wird, müssen auch die Anwaltskanzleien eingeschlossen sein.“ Einige in der Branche befürchten, dass Kunden, die nicht wollen, dass ihre Aufträge öffentlich werden, zu Anwaltskanzleien abwandern. Denn die könnten sich auf die Schweigepflicht berufen. Ein Blick in das US-Register zeigt jedoch, dass dort auch Anwälte ihre Tätigkeit angeben müssen, sobald sie als Lobbyisten gegenüber Regierung und Kongress in Aktion treten.

Rechtsanwalt Geiger fände ein Lobbyregister sogar sinnvoll – als Mittel gegen die „schwarzen Schafe“ der Branche. „Dann gehen diejenigen aus dem Markt, die etwas zu verheimlichen haben“, sagt er. In einem Lobbyregister müsse auch offengelegt werden, welche Tätigkeiten die Agenturen und Kanzleien für ihre Mandanten ausüben. Manche Praktiken würden dann schnell aufhören, glaubt Geiger. „Illegitime Einflussnahme bringt ohnehin nichts.“ Und die Branche käme auch in Deutschland endlich aus der Grauzone heraus.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 11. November 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false