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Im Gespräch bleiben: Den deutsch-russischen Petersburger Dialog gibt es schon seit 2001.

© picture alliance /dpa

Der Petersburger Dialog: Politik in kleinen Schritten

In Berlin kommen Deutsche und Russen in zwei Wochen zum Petersburger Dialog zusammen. Von Normalität im Verhältnis kann allerdings noch keine Rede sein.

Das letzte Treffen dieser Art in Deutschland war mit einem Eklat zu Ende gegangen. Beim Petersburger Dialog 2015 in Potsdam hatten die Deutschen Russlands Intervention in der Ukraine deutlich kritisiert – daraufhin platzte dem russischen Ko-Vorsitzenden auf offener Bühne der Kragen. Indirekt stellte Wiktor Subkow sogar die Zukunft des Gesprächsforums infrage. Doch trotz aller Differenzen kommen am 23. und 24. November Deutsche und Russen wieder zum Petersburger Dialog zusammen. Die Tagung findet erstmals in Berlin statt, etwa 250 Teilnehmer werden erwartet.

Das heißt jedoch nicht, dass die Deutschen drei Jahre nach der Annexion der Krim nun im Verhältnis zu Russland zur Tagesordnung übergehen: „Wir sind leider noch immer weit entfernt von einer Normalisierung der Beziehungen unserer beiden Länder“, sagte der deutsche Vorsitzende des Petersburger Dialogs, Ronald Pofalla, dem Tagesspiegel. „Trotz aller Konflikte haben wir es jedoch geschafft, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen“, betonte der frühere Kanzleramtsminister und heutige Bahn-Vorstand. „Am Ende der Tagung werden wir hoffentlich wieder einen weiteren Schritt aufeinander zugegangen sein.“

Neue Zeitung erscheint auf Deutsch und Russisch

Ein solcher kleiner Schritt im deutsch- russischen Verhältnis sollte auch ein neues Projekt sein, das aus dem Petersburger Dialog hervorgegangen ist: Seit September gibt es eine gleichnamige Zeitung, die monatlich in beiden Sprachen erscheint. Herausgegeben wird sie vom früheren MDR-Hörfunkdirektor Johann Michael Möller und dem ehemaligen Chef von Itar-Tass, Witali Ignatenko, die gemeinsam die Arbeitsgruppe Medien des Petersburger Dialogs leiten. Die deutsche Ausgabe erscheint im Verlag Times Media. Aus Sicht der Macher ist nicht erst das fertige Blatt, sondern bereits der deutsch-russische Redaktionsprozess wichtig: „Unser Ziel ist es, offen miteinander zu reden und einen Dialog auch über strittige Themen zu führen“, sagt der deutsche Chefredakteur Peter Koepf.

Doch das Projekt zeigt auch, wo die Grenzen des Dialogs liegen. Nicht alle Beiträge erscheinen in beiden Sprachen: In der russischen Ausgabe, die der Zeitung „Kommersant“ beiliegt, fehlten beispielsweise ein Text der früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck über den Ukraine-Krieg und ein Beitrag des ehemaligen SPD-Abgeordneten Karsten Voigt über die Folgen des russischen Vorgehens in der Ukraine für die europäische Friedensordnung. Auf russischer Seite würden wohl „Rücksichten genommen“, heißt es in der deutschen Redaktion. Chefredakteur Koepf hofft, dass künftig alle Beiträge „eins zu eins“ auch in der jeweils anderen Sprache erscheinen können.

„Keine sehr großen Meinungsverschiedenheiten“

Beim Petersburger Dialog in Berlin rechnen die Organisatoren indes nicht mit einer Konfrontation wie vor zwei Jahren in Potsdam. Martin Hoffmann, Geschäftsführer des Petersburger Dialogs, sieht eine „Versachlichung“ im deutsch- russischen Verhältnis, die sich auch auf den Petersburger Dialog auswirke. Bei der Vorbereitung habe es „keine sehr großen Meinungsverschiedenheiten“ gegeben. Nur in der Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft rechnet Hoffmann mit kontroversen Diskussionen.

Genau in dieser Arbeitsgruppe wird allerdings das Thema verhandelt, das eigentlich im Zentrum des Formats stehen sollte. Denn der Petersburger Dialog sollte ein Forum dafür sein, die Gesellschaften beider Länder miteinander ins Gespräch zu bringen.

Der russische Präsident Wladimir Putin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten 2001 den Anstoß zur Gründung gegeben. Doch von Anfang an war die Veranstaltung stark von Politik und Wirtschaft dominiert, die Zivilgesellschaft, insbesondere die russische, blieb weitgehend eine Randerscheinung.

Nach der Annexion der Krim durch Russland kam es zum offenen Konflikt: Der 2014 in Sotschi geplante Petersburger Dialog fiel aus, weil mehrere deutsche Politiker und Organisationen ihre Teilnahme abgesagt hatten. Zugleich trat der für die deutsche Russlandpolitik so typische Konflikt zwischen „Putinverstehern“ und Kremlkritikern deutlicher zutage als zuvor. Eine Gruppe um den mittlerweile verstorbenen CDU-Politiker Andreas Schockenhoff, die Grünen-Abgeordnete Beck und den damaligen Leiter der Böll-Stiftung, Ralf Fücks, setzte eine Reform des Petersburger Dialogs durch. Der bisherige Vorsitzende Lothar de Maizière wurde abgelöst und der Verein, der den Petersburger Dialog trägt, für neue Mitglieder aus Nichtregierungsorganisationen geöffnet.

Ernüchterung nach der Reform

Mittlerweile hat sich allerdings bei denjenigen, die damals den Veränderungsprozess vorangetrieben hatten, Ernüchterung breitgemacht: „Die Reform des Petersburger Dialogs hat nicht die Wirkung gezeigt, die sie zeigen sollte“, sagte Stefanie Schiffer, Geschäftsführerin beim Europäischen Austausch in Berlin. Das liege zum einen daran, dass es auf russischer Seite keinen Reformprozess gegeben habe, zum anderen aber auch an den Strukturen in Deutschland. Schiffer verweist darauf, dass die Geschäftsstelle des Petersburger Dialogs noch immer beim Deutsch-Russischen Forum angesiedelt ist. Diejenigen, die den Anstoß für den Reformprozess gegeben hatten, wollten das ändern, weil sie das Deutsch-Russische Forum für zu kremlfreundlich halten.

Wenn Deutsche und Russen zum Gespräch in Berlin zusammenkommen, wird noch keine neue Bundesregierung im Amt sein. Die geschäftsführende Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries soll in der Arbeitsgruppe Wirtschaft reden. Eines ist allerdings schon jetzt klar: Mit der Absage der Sozialdemokraten an eine weitere große Koalition werden diejenigen der Regierung nicht mehr angehören, die in den vergangenen Jahren für einen schrittweisen Abbau der Russland- Sanktionen geworben hatten. Dass sich eine schwarz-gelb-grüne Koalition diese Forderung zu eigen macht, ist kaum zu erwarten, auch wenn aus der FDP und der CSU ähnliche Töne zu hören waren.

Exporte nach Russland steigen um 23 Prozent

Der deutsche Handel mit Russland hat sich mittlerweile deutlich erholt – trotz der Sanktionen: Von Januar bis August 2017 wurden Waren im Wert von rund 17 Milliarden Euro nach Russland exportiert, wie aus den Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum war dies ein Anstieg von 23 Prozent.

Zum Auftakt des Petersburger Dialogs im Roten Rathaus redet kein Politiker, sondern der evangelische Altbischof Wolfgang Huber, auf russischer Seite soll Michail Fedotow, Vorsitzender des Menschenrechtsrates beim Präsidenten, eine Rede halten. Eine neue deutsch-russische Kontroverse ist von diesen Auftritten nicht zu erwarten, und anders als noch vor zwei Jahren in Potsdam soll es diesmal zum Abschluss des Petersburger Dialogs keine Podiumsdiskussion geben. Die Zeichen stehen auf Konsens, beinahe scheint es, als würden Kontroversen absichtlich vermieden.

Der heikelste Auftritt bei dem Treffen in Berlin versteckt sich im Kulturprogramm: Das Streichorchester der Russisch-Deutschen Musikakademie, das für die Teilnehmer ein Konzert im Roten Rathaus gibt, wird von Waleri Gergijew dirigiert. Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker ist nicht nur als begnadeter Musiker, sondern vor allem als Unterstützer Putins bekannt, den er seinen Freund nennt. Für Putin machte er auch schon Wahlwerbung. Im Jahr 2014 unterzeichnete Gergijew einen Aufruf, in dem Kulturschaffende die Annexion der Krim und das russische Vorgehen in der Ukraine ausdrücklich befürworten. Zwei Jahre später gab der Dirigent in den Ruinen der syrischen Stadt Palmyra ein Propaganda-Konzert.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 7. November 2017, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Update, 13.11.17: Der russische Dirigent Waleri Gergijew wird nun doch kein Konzert beim Petersburger Dialog in Berlin geben. Anders als geplant werde Gergijew das Konzert der Russisch-Deutschen Musikakademie „aufgrund seiner Verpflichtungen im Rahmen seiner Konzertreise nach China“ nicht dirigieren, hieß es in der Geschäftsstelle des Petersburger Dialogs. Für ihn übernimmt nun der Dirigent Thomas Zehetmair.

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