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Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz.

© imago/BildFunkMV

Der Europarat und Aserbaidschan: Im Netz des Regimes

Wie Aserbaidschan seit Jahren Lobbyarbeit macht - in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und in Berlin.

Eine bessere Fürsprecherin in Deutschland hätte sich Aserbaidschan kaum wünschen können. Die CDU- Bundestagsabgeordnete Karin Strenz nahm das autoritär regierte Land gegen Kritik in Schutz und gab als Wahlbeobachterin in Baku vor laufender Kamera zu Protokoll, sie habe keine Unregelmäßigkeiten feststellen können. Außerdem stimmte sie in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gegen einen Antrag, mit dem in einer Resolution die Freilassung aller politischen Gefangenen in Aserbaidschan gefordert werden sollte. All das konnte seit 2015 jeder wissen, doch im politischen Berlin interessierten sich nur wenige für den Europarat. Erst jetzt ist Strenz unter Druck geraten, weil ein Vorgang bekannt wurde, der möglicherweise ein anderes Licht auf ihre ungewöhnliche Nähe zu Aserbaidschan wirft: Die CDU-Abgeordnete erhielt Geld von einer Firma, die sich durch Zahlungen aus Baku finanzierte.

In einer neunseitigen Presseerklärung bestritt Strenz die Vorwürfe und kündigte an, „über die Frage einer weiteren Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates intensiv nachzudenken“. Zuvor hatte allerdings die Führung der Unionsfraktion nach Tagesspiegel-Informationen deutlich gemacht, man erwarte, dass Strenz und der bisherige Delegationsleiter beim Europarat, Axel Fischer (CDU), nicht wieder für die Parlamentarische Versammlung kandidieren. Im Januar kommt die Versammlung in Straßburg zusammen, bis dahin müssen die deutschen Mitglieder feststehen.

Unionsfraktion wartet Untersuchung im Europarat ab

Über weitere Schritte im Fall Strenz will man in der Unionsfraktion derzeit nicht reden. Zuerst sollen die Ergebnisse einer unabhängigen Kommission abgewartet werden, die Korruptionsvorwürfe im Europarat untersucht. Der ehemalige italienische Abgeordnete Luca Volontè hatte 2,39 Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten, gleichzeitig hatte er sich im Europarat dafür eingesetzt, eine Resolution über politische Gefangene in dem Land zu verhindern. Die Untersuchungskommission soll nun bis April 2018 einen Bericht vorlegen. Die CDU/CSU-Fraktion will zudem ein weiteres Ergebnis abwarten: Die Bundestagsverwaltung prüft, ob Strenz die Transparenzregeln für Nebentätigkeiten eingehalten hat. Sie hatte die Einkünfte von der Firma des Aserbaidschan-Lobbyisten erst mit großer Verspätung gemeldet. Sollte ein Verstoß festgestellt werden, könnte das Präsidium des Bundestages ein Ordnungsgeld festsetzen.

Strenz hatte Ende 2014 und Anfang 2015 jeweils bis zu 15 000 Euro von der Firma Line M-Trade erhalten, die dem früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner gehörte, der zugleich geschäftsführender Gesellschafter der „Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen mbH“ ist. Lintner erhielt zwischen 2012 und 2014 mehr als 800 000 Euro aus Aserbaidschan. Die Zahlungen liefen über drei Briefkastenfirmen, von denen auch Volontè sein Geld erhalten hatte. Strenz erklärte, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Line M-Trade von Aserbaidschan finanziert wurde.

Aserbaidschan ließ "Wahlbeobachter" bezahlen

Wie der italienische Abgeordnete Volontè zählte Lintner im Europarat zu einer Gruppe von Parlamentariern, die immer wieder Aserbaidschans Positionen unterstützten. Lintner war als Vorsitzender des Rechtsausschusses und des Monitoringausschusses, der für Länderberichte zuständig ist, dafür in idealer Position. Sein Engagement für das Land setzte er nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag als Lobbyist fort. Mit der von ihm gegründeten Gesellschaft finanzierte er Reisen von Wahlbeobachtern nach Baku. In dem autoritär regierten Land hatten sie nichts zu beanstanden. An einer solchen Reise nahm 2010 Karin Strenz teil. „Damals war mir nicht bekannt, wer diese Mission organisiert und finanziert“, erklärt sie heute. Einer der Mitorganisatoren der Missionen, der belgische Politiker Alain Destexhe, hat sein Europaratsmandat niedergelegt.

Kaum ein anderes Land hat so viel in politische Lobbyarbeit investiert wie Aserbaidschan – auch in Deutschland. Einen großen Erfolg konnte das Regime 2011 für sich verbuchen: An einer Feier zur Unabhängigkeit des Landes im Deutschen Historischen Museum in Berlin mit der Präsidentengattin Mehriban Alijewa nahmen auch die deutsche First Lady Bettina Wulff und der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher teil. Der mittlerweile verstorbene FDP-Politiker war Ehrenvorsitzender und Mitgründer der Agentur Consultum Communications, die damals Lobbyarbeit für Aserbaidschan machte.

Auch nach dem Ende dieses Auftrags blieb der Consultum-Chef Hans-Erich Bilges, früher Mitglied der „Bild“-Chefredaktion, dem Land im Südkaukasus verbunden. Bis heute sitzt er im Vorstand des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums, ein Engagement, das er als „ausschließlich privat und unentgeltlich“ bezeichnete. Der Organisation ist es gelungen, ungewöhnlich viele (Ex-)Politiker in ihren Leitungsgremien zu versammeln. Genscher war lange Zeit Ehrenvorsitzender im Kuratorium, dem heute der frühere Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der ehemalige Russland-Beauftragte Gernot Erler (SPD), der bisherige Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs und der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs angehören. Im 17-köpfigen Vorstand des Forums sitzen die frühere FDP-Abgeordnete Helga Daub und Ex-BND-Chef August Hanning, Vorstandschef ist der frühere Chef der Mainzer Staatskanzlei, Hanns-Eberhard Schleyer.

Das Deutsch-Aserbaidschanische Forum organisierte 2014 ein Treffen mit Staatspräsident Ilham Alijew in Baku, an dem auch Strenz teilnahm. Die Kosten der Reise habe das Forum getragen, sagte sie später.

Sogar die Junge Union erhielt ein Angebot aus Baku

Auch andere Abgeordnete des Bundestags ließen sich nach Baku einladen – vom CSU-Politiker Glos bis zum Linken- Parlamentarier Stefan Liebich. Der CDU-Abgeordnete Fuchs hielt 2012 einen Vortrag in Baku, die aserbaidschanische Botschaft zahlte die Reise und ein Honorar.

Selbst die Junge Union Baden-Württemberg erhielt Offerten aus dem Südkaukasus: Bei ihrem Landestag 2012 sollte ein aserbaidschanisches Studentennetzwerk als Hauptsponsor auftreten, das wiederum vom Energiekonzern Socar finanziert wurde. Nach kritischen Medienberichten lösten die Nachwuchspolitiker den Vertrag auf. Der mittlerweile verstorbene ehemalige JU-Chef Philipp Mißfelder äußerte vor den Europa-Spielen in Baku intern Bedenken gegen eine Resolution im Bundestag, die sich kritisch mit der Menschenrechtslage in Aserbaidschan auseinandersetzte. Mißfelder habe gute Kontakte zur aserbaidschanischen Botschaft gehabt, sagt ein ehemaliges JU-Mitglied. Wie jetzt erst bekannt wurde, waren 2012 selbst Kreisverbände im Fokus von Lobbyisten aus Baku. So spendete Socar 28 000 Euro an die Frankfurter CDU – was als illegale Parteispende eingestuft wurde.

Noch immer Lobbyisten im Auftrag Aserbaidschans unterwegs

Auch wenn die Lobbyarbeit Aserbaidschans spürbar nachgelassen hat, sind in Berlin noch immer Lobbyisten mit einem Auftrag aus Baku unterwegs. So ist der frühere SPD- Bundestagsabgeordnete Heino Wiese nach Tagesspiegel-Informationen beratend für „aserbaidschanische Politikvertreter“ tätig. Er leitet die Unternehmensberatung Wiese Consult und ist zugleich Russlands Honorarkonsul in Niedersachsen. Kürzlich bemühte er sich darum, deutsche politische Stiftungen zur Wiederaufnahme ihres Engagements in Aserbaidschan zu bewegen.

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